Radverkehrsführung innerorts
Erstellt am: 26.09.2003 | Stand des Wissens: 02.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Hauptverkehrsstraßen sind neben dem motorisierten Individualverkehr auch für den Radverkehr wichtige Verbindungsachsen. Die Führung des Radverkehrs entlang solcher Straßen ist somit innerstädtisch erforderlich, zumal oft wichtige Quellen und Ziele an Hauptverkehrsstraßen liegen. Doch auch im erschließenden Straßennetz sind Anlagen für den Radverkehr wichtig. Für diese Radverkehrsanlagen sind einige Grundanforderungen maßgebend [ERA10].
Generell sollte eine lückenlose Radverkehrsführung angestrebt werden. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Kraftfahrzeugsverkehrsstärke und -geschwindigkeit, der Schwerverkehrsstärke und weiteren Merkmalen, ist zu prüfen, ob eine Führung im Mischverkehr oder, auf separaten Anlagen erfolgen soll. Die Dimensionierung der Anlagen sollte ausreichend groß sein und keine Kombination von Mindestmaßen (beispielsweise schmale Radwege neben schmalen Gehwegen) umfassen.
Eine gute Radverkehrsführung geht zumeist mit einer Ordnung des ruhenden Verkehrs einschließlich des Lade- und Lieferverkehrs einher. Des Weiteren sind an Knotenpunkten die Grundanforderungen Erkennbarkeit, Begreifbarkeit, Übersichtlichkeit und Befahrbarkeit einzuhalten. Besonders auf Konfliktsituationen zwischen geradeausfahrenden Radfahrern und ein- oder abbiegenden Pkw sollte geachtet werden, da hier häufig Unfallpotential herrscht. Sämtliche Anlagen sind so zu gestalten, dass die Verkehrssicherheit gewahrt wird [ERA10].
Im untergeordneten Netz, den Erschließungsstraßen, ist darauf zu achten, dass beispielsweise Einbahn- und Schleifenstraßensysteme sowie Sackgassen für den Radverkehr durchlässig gestaltet werden, um die Erschließungsfunktion auf einem hohen Niveau zu halten und den Radverkehr gegenüber dem motorisierten Verkehr attraktiver zu gestalten [ERA10].
Generell kann zwischen einer Führung im Mischverkehr und dem Separationsprinzip entschieden werden.
Unter dem Mischverkehr ist die gemeinsame Flächennutzung mit anderen Verkehrsteilnehmern zu verstehen. Man unterscheidet beim Mischverkehr auf der Fahrbahn den Mischverkehr ohne flankierende Maßnahmen, den Mischverkehr mit Wahlmöglichkeit zwischen Fahrbahn und Gehweg sowie den Mischverkehr mit Schutzstreifen für den Radverkehr [ERA10].
Der Mischverkehr des Radverkehrs mit dem Motorisierten Individualverkehr (MIV) ist der Standardfall der Radverkehrsführung auf allen durch den Kraftfahrzeugverkehr weniger belasteten Straßen mit niedrigem Geschwindigkeitsniveau (Erschließungsstraßen). Bei einem angemessen niedrigen Geschwindigkeitsniveau oder bei Rahmenbedingungen, die eine separate Führung nicht erlauben, kann die Variante auch auf Hauptverkehrsstraßen zweckmäßig sein [ERA10]. Die Wahlmöglichkeit für Radfahrer zwischen Fahrbahn- und Gehwegbenutzung durch die Freigabe der Gehwege (Zeichen 239 Straßenverkehrsordnung (StVO) [StVO] "Gehweg" mit Zusatzschild "Radfahrer (Sinnbild) frei") beschränkt sich in der Regel auf die Existenz von geringem Fußgängerverkehr sowie ausreichend breiten Gehwegen [ERA10].
Der Schutzstreifen bei Mischverkehrsführung stellt dem Radfahrer am Fahrbahnrand eine Fläche zur Verfügung, die von Pkw möglichst nicht und von Lkw und Bussen nur im Begegnungsfall benutzt werden sollte. Schutzstreifen sollen nur zum Einsatz kommen, wenn für Radfahrstreifen kein ausreichender Raum zur Verfügung steht und gleichzeitig genügend "Restfahrbahnfläche" verbleibt, um dort den Pkw- Verkehr abzuwickeln. Das Regelmaß für Schutzstreifen beträgt 1,50 Meter. Mindestens sollten 1,25 Meter realisiert werden. Da ruhender Verkehr auf der Fahrbahn den Zweckbestimmungen des Schutzstreifens widerspricht, sind Straßen mit hohem Parkdruck für dessen Einrichtung ungeeignet. Auch sollten diese Straßen einen geringen Lkw- und Busanteil aufweisen [ERA10].
Der Schutzstreifen für den Radverkehr trennt Rad- und Autoverkehr mit einer gestrichelten weißen Linie (Zeichen 340 der StVO). Bislang durften Kfz-Fahrer*innen dort noch bis zu drei Minuten halten. Radfahrer*innen können aufgrund von haltenden Kfz daher den Schutzstreifen nicht durchgängig nutzen. Um die Gefährdung von Radfahrer*innen zu reduzieren, wurde auf Schutzstreifen ein generelles Halteverbot eingeführt [Bmvi20f].
Der Schutzstreifen für den Radverkehr trennt Rad- und Autoverkehr mit einer gestrichelten weißen Linie (Zeichen 340 der StVO). Bislang durften Kfz-Fahrer*innen dort noch bis zu drei Minuten halten. Radfahrer*innen können aufgrund von haltenden Kfz daher den Schutzstreifen nicht durchgängig nutzen. Um die Gefährdung von Radfahrer*innen zu reduzieren, wurde auf Schutzstreifen ein generelles Halteverbot eingeführt [Bmvi20f].
Radfahrstreifen sind durch das Verkehrsschild 237 StVO "Sonderweg für Radfahrer" gekennzeichnet und mit Radfahrstreifenbegrenzung gegenüber Fahrstreifen für den Kraftfahrzeugverkehr separiert. Der Radfahrstreifen ist in der Regel mit Markierung (Breitstrich) 1,85 Meter breit. Die Zweckbestimmung sollte zusätzlich durch Radfahrerpiktogramme verdeutlicht werden. Bei Problembereichen, wie beispielsweise Knotenpunkten, sollte eine ganzheitlich rote Einfärbung in Erwägung gezogen werden [ERA10].
Straßenbegleitende Radwege können als Einrichtungsradweg (Regelmaß: 2,00 Meter), beidseitiger Zweirichtungsradweg (Regelmaß: 2,50 Meter) oder einseitiger Zweirichtungsradweg (Regelmaß: 3,00 Meter) ausgebildet sein. Radwege zeichnen sich insbesondere durch das von ihnen vermittelbare objektive und subjektive Sicherheitsgefühl der Nutzer aus. Dies ist insbesondere dann als groß einzustufen, wenn die Belange von Fußgängern berücksichtigt werden und eine akzeptable Führung an Knotenpunkten gewährleistet ist.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit den Radverkehr durch Fahrradstraßen zu führen. Diese sind für hohe Radverkehrsaufkommen und Hauptverbindungen des Radverkehrs geeignet, da es sich hierbei um eine Fahrbahn handelt, die nur dem Radverkehr gewidmet ist. Bei entsprechender Bevorrechtigung im erschließenden Netz können somit hohe Reisegeschwindigkeiten erreicht werden. Nebeneinanderfahren ist erlaubt [ERA10].
Mit der neuen StVO-Novelle aus dem Jahr 2020 können analog zu den Tempo 30-Zonen Fahrradzonen angeordnet werden. Fahrradzonen orientieren sich an den Regeln für Fahrradstraßen. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometer pro Stunde darf sich der Fahrverkehr in diesem Bereich fortbewegen und dabei den Radverkehr weder gefährden noch behindern [Bmvi20f].
Es wird nun außerdem die bereits bestehende Grünpfeilregelung auch auf Radfahrer ausgedehnt, die aus einem Radfahrstreifen oder baulich angelegten Radweg heraus rechts abbiegen wollen. Ein gesonderter Grünpfeil, der allein für Radfahrer gilt, wurde eingeführt [Bmvi20f].
Die innerörtliche Radverkehrsführung kann, wenn sie richtig gestaltet ist, ein sehr attraktives und leistungsfähiges Radverkehrsnetz bilden. Die Entscheidung der Führungsform liegt beim Planer, da je nach Situation und Randbedingungen andere Anlagen von Vorteil sind. Erreichen die Radverkehrsanlagen eine hohe Akzeptanz und Attraktivität, kann dadurch eine merkbare Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf den Radverkehr erzielt werden, was die Verkehrssituation und die Lebensqualität von Städten deutlich verbessert.
Die Novelle der StVO aus dem Jahr 2020 wurde mehrheitlich den Radfahrern angepasst. So bestehen weitere neue Regelungen:
- Das Nebeneinanderfahren von Radfahrenden ist allgemein erlaubt. Nur wenn andere Verkehrsteilnehmende behindert werden, muss hintereinander gefahren werden.
- Die Kraftfahrzeuge müssen innerorts einen Mindestabstand von 1,50 Meter für das Überholen von Radfahrer*innen einhalten.
- Auf Fahrrädern dürfen Personen mitgenommen werden, wenn die Fahrräder zur Personenbeförderung gebaut und eingerichtet sind. Der Fahrzeugführende ist mindestens 16 Jahre alt [Bmvi20f].
Die Corona-Pandemie beschleunigt seit dem Jahr 2020 den Trend zur Einrichtung weiterer Radverkehrsanlagen. Städte wie Berlin, München oder Stuttgart reagieren auf die stärkere Fahrradnutzung, indem sie (versuchsweise) Pop-up Bike-Lanes einrichten. Durch Warnbaken oder gelbe Markierungen werden dabei Fahrstreifen des Autoverkehrs in temporäre Radfahrstreifen umgewidmet. Eine Radfahrstreifenbreite von zwei Metern soll die gegenseitige Abstandshaltung gewähren [BMVI20p].