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Vernetzung des Nichtmotorisierten Verkehrs mit dem Öffentlichen Personennahverkehr

Erstellt am: 25.09.2003 | Stand des Wissens: 28.11.2024

Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH

Die kombinierte Nutzung von Fahrrad und öffentlichem Verkehr (ÖV) stand in Deutschland lange nicht im Fokus der Verkehrsplanung. So existierten im Rhein-Neckar-Raum und im Raum Berlin noch in den 1970er Jahren Fahrradwachen an Bahnhöfen aus der Zeit vor 1939. Im Zeitraum zwischen den 1950er Jahren und den 1970er Jahren spielte Bike and Ride (B+R) in der Verkehrsplanung keine Rolle. Bedingt durch den allgemeinen Fahrradboom seit Ende der 1970er Jahre waren an den Schnellbahnhaltestellen aber wieder zunehmend abgestellte Fahrräder zu verzeichnen. Zu Beginn der 1990er Jahre reagierten Städte auf diese Entwicklung und begannen, diese im Sinne der Förderung einer nachhaltigeren Mobilität zu steuern und zu beschleunigen. Städte wie Köln, Krefeld oder Bremen entwickelten in dieser Zeit Bike and Ride-Konzepte, die den konzeptionellen Rahmen für den gesteuerten und bedarfsorientierten Ausbau von Fahrradabstellmöglichkeiten entlang der ÖPNV- und der Eisenbahnhaltepunkte bildeten. Die Konzepte beinhalteten Bedarfs- und Potenzialanalysen für die kombinierte Nutzung von Fahrrad und ÖV und wiesen Bedarfe für Fahrradabstellmöglichkeiten für die relevanten Haltestellen im Stadt- beziehungsweise Bedienungsgebiet aus. 
Die Vernetzung des Fahrrads mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), dem Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und dem Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) gliedert sich in die:
  • Nutzung des Rades im Vor- und Nachtransport mit dem Schwerpunkt im Alltagsverkehr (Bike and Ride),
  • Mitnahme des Fahrrads in öffentlichen Verkehrsmitteln mit dem Schwerpunkt im Freizeitverkehr sowie in die
  • Fahrradvermietung im Nachtransport für den Alltagsverkehr und im Freizeitverkehr [BMVBW98h].
Die Bike and Ride-Nutzung wurde insbesondere durch folgende Trends der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung begünstigt [BMV97f]:
  • starkes Anwachsen des Stadt-Umland-Verkehrs durch Suburbanisierung,
  • intensivierter Ausbau des Schnellbahnnetzes in den großen Ballungsräumen sowie
  • Anstieg der Fahrradnutzung seit Ende der 1970er Jahre.
Voraussetzung dafür, dass die durch diese Prozesse geschaffene Nachfrage des Fahrrads als Zu- oder Abbringerverkehrsmittel auch bedient werden konnte, war die Bereitstellung der erforderlichen Radverkehrsinfrastruktur sowohl das Wegenetz als auch die Abstellmöglichkeiten betreffend.
Begünstigt, wenn die entsprechenden Anlagen geschaffen wurden. Eher war es doch so, dass diese Prozesse erst einmal nur eine potenziell große Nachfrage geschaffen haben. Begünstigt wird Bike and Ride erst dann ,wenn ich auch die Anlagen baue, die dafür notwendig sind
Zur Verknüpfung des ÖPNV und des Radverkehrs wird die elektronische Fahrkarte (E-Ticket) als eine einfache Möglichkeit des anbieterübergreifenden Zugangs zu Fahrradverleihsystemen gesehen. Daher wrd dieser gemeinsamer Standard als künftige Zugangsmöglichkeit empfohlen [BMVBS12q, S. 52].
Daraus resultiert, dass die Entwicklungsmöglichkeit für eine verstärkte Vernetzung dieser beiden Verkehrsmittel im Regionalverkehr mit Reiseweiten über 10 Kilometern liegen. Durch die in den letzten Jahrzehnten zugenommenen Wegelängen ist in diesem Bereich ein wachsender Verkehrsmarkt zu vermuten [BMV97f].

Mittlerweile setzten sich zudem auch B+R Stationen an kleineren ÖV-Haltestellen durch (zum Beispiel U-Bahn- und Busstationen). Anwohner nutzen das Fahrrad verstärkt, um schnell an ihre nächstgelegene ÖV-Haltestelle zu gelangen. So wird auch B+R auch für innerstädtische Verkehre zu einem immer wichtigeren Thema.
Zudem wird ein gemeinsames Marketing von Fahrrad und ÖPNV als sehr förderlich angesehen. Der Umweltverbund bietet die Möglichkeit beide Wege gemeinsam zu bewerben werden, anstatt den ÖV und das Fahrrad getrennt zu betrachten. Vielmehr sollte das einfache Umsteigen und die Schnelligkeit und Flexibilität beworben werden [Interde10].
Zwar sind Bike and Ride-Anlagen häufig noch nicht gänzlich anforderungsgerecht gestaltet, jedoch hat sich die Angebotsqualität seit Mitte der 1990er Jahre an einer Vielzahl von Bahnhöfen verbessert. Und auch der Bau von abschließbaren Fahrradboxen vor dem Hintergrund immer hochwertigerer Fahrräder, E-Bikes- und Pedelecs und damit den steigenden Anforderungen potenzieller Bike and Ride-Nutzer*innen an Diebstahlschutz nimmt zu. Auch die Möglichkeiten der Fahrradmitnahme im Schienenpersonennahverkehr wurden in diesem Zeitraum ausgeweitet. "Im Fernverkehr wird angestrebt, die Fahrradmitnahme im ICE-Bereich im Rahmen eines Pilotprojektes mit der Deutsche Bahn AG auf einer ausgewählten Pilotstrecke testen zu lassen." [BMVBS07x]. Mittlerweile hat die Deutsche Bahn den neuen ICE 4 vorgestellt, in welchem die Mitnahme von 8 Fahrrädern bei vorheriger Reservierung möglich ist.
Ansprechperson
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Vernetzung des nichtmotorisierten Verkehrs mit dem ÖPNV (Stand des Wissens: 05.02.2025)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?301025
Literatur
[BMV97f] Fromberg, Andrea, Hoevel, Rene, et al. Fahrrad und ÖPNV / Bike & Ride - Empfehlungen zur Attraktivitätssteigerung des Fahrradeinsatzes für Zu- und Abbringerfahrten sowie Fahrradmitnahme im ÖPNV, veröffentlicht in direkt, Ausgabe/Auflage 50, Fach Media Service Verlagsgesellschaft (FMS) mbH / Bonn, 1997/01, ISBN/ISSN 3-926181-30-3
[BMVBS07x] Bundesregierung Zweiter Bericht der Bundesregierung über die Situation des Fahrradverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland 2007, 2007
[BMVBS12q] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Nationaler Radverkehrsplan 2020, Berlin, 2012/10
[BMVBW98h] o.A. Erster Bericht der Bundesregierung über die Situation des Fahrradverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, 1998/03
[Interde10] TU Dresden, Lehrstuhl Verkehrs- und Infrastrukturplanung, Prof. Dr.-Ing. G.-A. Ahrens, Ahrens, Gerd-Axel, Aurich, Tanja, Böhmer, Thomas, Klotzsch, Jeannette, Pitrone, Anne Interdependenzen zwischen Fahrrad- und ÖPNV-Nutzung. Analysen, Strategien und Maßnahmen einer integrierten Förderung in Städten, 2010
Weiterführende Literatur
[Bick05] Bickelbacher, Paul, Fauth, Clemens "Radlparkhaus" in München-Kieferngarten - Eine gelungene Förderung von Park+Ride, veröffentlicht in PlanerIn, Ausgabe/Auflage 1, 2005
[Vred07] Vreden, Marcel, Kohlhaas, Michael, Lengling, Wolfgang, Dr. rer. pol Bikey stärkt intermodale Wegeketten - Der VRR bietet seinen Kunden einen neuen Fahrrad-Service, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 3/2007, 2007
[Glow04] Glowienka, A., Glass, T., Reichmuth, R., et al. Erschließung neuer Potentiale für den SPNV im Raum Leipzig - Verbessertes B+R- und P+R-Angebot soll Nutzen und Image des Schienenverkehrs im Stadtumland stärken, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 10, 2004
[ADFC16a] Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC), ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) (Hrsg.) Fahrradland Deutschland. Jetzt! , 2016
[SRL97] o.A. Integration von ÖPNV und Radverkehr in der kommunalen Verkehrsplanung, Ausgabe/Auflage Nr. 38, Berlin, 1997/07, ISBN/ISSN 0936-0778
[Mobinet03] o.A. MOBINET Abschlussbericht - 5 Jahre Mobilitätsforschung im Ballungsraum München, 2003/11
Glossar
Suburbanisierung
Die Suburbanisierung ist eine Phase der Stadtentwicklung, bei der es zu einer Verschiebung des Wachstumsschwerpunktes aus dem Kernbereich einer Stadt (Zentrum) in das städtische Umland beziehungsweise den suburbanen Raum kommt (Stadt-Umland-Wanderung).
Bike & Ride Prinzip der Verkehrslenkung durch Bereitstellung von Fahrradständern oder -boxen in der Nähe von Haltestellen des öffentlichen Verkehrs bereits im Außenbereich von Ballungsräumen, um damit einen Umstieg auf den öffentlichen Verkehr zu ermöglichen mit dem Ziel den motorisierten Individualverkehr zu verringern
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
Umweltverbund
Unter dem Begriff Umweltverbund wird die Kooperation der umweltfreundlichen Verkehrsmittel verstanden. Hierzu zählen die öffentlichen Verkehrsmittel (Bahn, Bus und Taxis), nicht motorisierte Verkehrsträger (Fußgänger und private oder öffentliche Fahrräder), sowie Carsharing und Mitfahrzentralen. Ziel ist es, Verkehrsteilnehmern zu ermöglichen, ihre Wege innerhalb des Umweltverbunds, anstatt mit dem eigenen Pkw, zurückzulegen. Zunehmend wird der Begriff Mobilitätsverbund genutzt.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).
Schienenpersonenfernverkehr
Der Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) ist die Beförderung von Reisenden mit Eisenbahnzügen über längere Strecken mit mehr als einer Stunde Fahrzeit oder 50 km Entfernung. Im Gegenzug zum Schienenpersonennahverkehr (SPNV) bzw. dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wird der SPFV eigenwirtschaftlich betrieben und muss sich betriebsökonomisch selbst tragen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?57816

Gedruckt am Samstag, 15. März 2025 05:24:12