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Anwendungsbereiche von Drohnen im urbanen Güterverkehr

Erstellt am: 12.08.2021 | Stand des Wissens: 12.07.2024
Synthesebericht gehört zu:

Erste vereinzelte Anwendung finden Drohnen im Güterverkehr bei innerbetrieblichen Transporten, der Versorgung von schwer erreichbaren Gebieten und im Transport von zeitkritischen Gütern wie medizinischen Hilfstransporten. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass hier eine Einschränkung auf vergleichsweise leichte Transportgüter in Abhängigkeit zur Tragfähigkeit der Drohne besteht [WiBe19]. Zugute kommt der Drohne hingegen, dass durch die Nutzung des Luftraums landgebundene Hindernisse umgangen werden können sowie im Vergleich zu straßengebundenen Transportmitteln ein schnellerer Transport möglich ist.
Die heutige Forschung zu Anwendungsbereichen von Drohnen im Güterverkehr konzentriert sich neben schwer zugänglichen Gebieten auf den urbanen Raum. Als letztes Element der Lieferkette stellt die letzte Meile, die bisher zumeist auf der Straßeninfrastruktur erbracht wird, durch hohe Transport- und Personalkosten einen nicht zu vernachlässigenden Kostenfaktor in der Logistik dar [DoElHo20]. Prognosen zeigen, dass die schnellere und flexiblere Gestaltung der Zustellprozesse mittels Drohnen Kostenersparnisse erzielen kann [Rag23]. Hauptgrund für dieses Kostenersparnis sind neben den bereits erwähnten Personalkosten (die im Betrieb vom Lkw über 70 Prozent ausmachen) die hohe Flexibilität respektive die hieraus resultierende Schnelligkeit sowie die vergleichsweise höhere Auslastung, die Drohnen durch die Anpassung an das zu liefernde Paket erreichen [Rag23].
Unter anderem aus diesem Grund testen insbesondere KEP-Dienstleister (Kurier, Express und Paket) bereits Paketzustellungen mit Drohnen [DHL24]. Auf der einen Seite befinden sich in Städten im Gegensatz zum ländlichen Raum zwar mehr Hindernisse und Herausforderungen für die Fluggeräte, auf der anderen Seite bestehen hier jedoch die höchste Nachfrage und Dichte von On-Demand-Sendungen [MüRuJa19]. Im urbanen Raum sind die zurückzulegenden Entfernungen folglich eher mit der begrenzten Reichweite von Drohnen vereinbar, als in ländlichen Regionen, die eine größere Streuung der Empfangsorte aufweisen [PuGuMa20]. Um den Nachteil der notwendigen Infrastruktur zum Starten und Landen der Drohne aufzulösen, wird im urbanen Raum die Möglichkeit erforscht, Sendungen per Abwurf zuzustellen und somit einen Landevorgang zu vermeiden [KBF20]. Einige nennenswerte Pilotprojekte beschäftigen sich beispielsweise mit der Zustellung von Zeitungen [DPA22a], Paketen (Abwurf mit Fallschirm oder Ablegen auf Balkon) [Koe22] oder Medikamentenlieferung [bra23].
Ein weiterer für die Zukunft diskutierter Ansatz ist die Kopplung von Lkw und Drohnen. Hierbei beliefern mehrere Drohnen die Empfänger einer städtischen Zone von einem Lkw aus und kehren anschließend wieder zum Lkw zurück. Der Lkw fungiert als Start- und Landeplatz [PuGuMa20]. Dieses Verfahren bietet die Möglichkeit, den Effizienznachteil der Drohne aufgrund der begrenzten Tragfähigkeit auszugleichen und eine Bündelung der Sendungen auf der letzten Meile bis kurz vor Sendungsauslieferung zu erreichen [WiBe19]. Erste Forschungsergebnisse zeigen, dass durch die Kombination von Lkw und Drohne die Fahrtrouten effizienter gestaltet werden können und sich daher die Wartezeit der Kunden optimieren lässt. Besonders ist hierbei die Nutzung eines Deep Reinforcement Learning (deep RL) Modells, welches von realen Straßennetzdaten Gebrauch macht, um die Routen der Fahrzeuge optimal zu planen [Bi23].
Grundsätzlich könnte der Gütertransport mittels Drohnen eine Verringerung des Straßenverkehrs und der Treibhausgasemissionen erzielen [DoElHo20, PuGuMa20]. Neben einer Senkung des Verkehrsaufkommens kann der Einsatz von Lieferdrohnen zu einem verbesserten Verkehrsfluss beitragen, da das Halten von Lieferfahrzeugen in zweiter Reihe reduziert werden würde. Für eine spürbare Entlastung im Verkehrsgeschehen wäre jedoch der Einsatz einer sehr großen Anzahl von Drohnen erforderlich. Forscher ermittelten beispielsweise für den Großraum Paris, dass rund 180.000 Drohnenflüge pro Stunde erforderlich wären, um 70 Prozent aller Paketzustellungen der Großstadt in den Luftraum zu verlagern [KBF20]. Eine derartige Steigerung des Luftverkehrs im untersten Luftraum der Städte wird neue Fragen aufwerfen, wie z.B. die Gewehrleistung der Verkehrssicherheit, die vor der Umsetzung zunächst noch geklärt werden müssen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie sich die akustischen und optischen Emissionen auf den Lebensraum von Menschen und Tieren auswirken [WiBe19].
Ansprechperson
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Integration von Drohnen als Ergänzung des Verkehrssystems zum Transport von Personen und Gütern (Stand des Wissens: 25.08.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?539652
Literatur
[Bi23] Bi, Zhiliang, Xiwang Guo, Jiacun Wang , Shujin Qin, Guanjun Liu Deep Reinforcement Learning for Truck-Drone Delivery Problem, veröffentlicht in Drones, Ausgabe/Auflage 7, 2023/07/06, Online-Referenz doi:10.3390/drones7070445
[bra23] brain-SCC GmbH (Hrsg.) Projekt Apotheken-Drohnen-App, 2023/07
[DHL24] DHL Freight GmbH (Hrsg.) Future of Freight: Einsatz von Drohnen in der Logistik, 2024/03/13
[DoElHo20] Doole, Malik, , Ellerbroek, Joost, , Hoekstra, Jacco Estimation of traffic density from drone-based delivery in very low level urban airspace, 2020/09
[DPA22a] dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH Die Zeitung aus der Luft - Verlag testet Zustellung per Drohne, 2022/12/10
[KBF20] Kellermann, R., , Biehle, T., , Fischer, L. Drones for parcel and passenger transportation: A literature review, 2020
[Koe22] Koenen, Jens Start-up Jedsy liefert per Flugdrohne bis an den Balkon, 2022/02/02
[MüRuJa19] Müller, Stephan, , Rudolph, Christian, , Janke, Christian Drones for last mile logistics: Baloney or part of the solution?, 2019
[PuGuMa20] Di Puglia Pugliese, Luigi, , Guerriero, Francesca, , Macrina, Giusy Using drones for parcels delivery process, 2020
[Rag23] Raghunatha, Aishwarya, Lindkvist, Emma, Thollander, Patrik, Hansson, Erika, Jonsson, Greta Critical assessment of emissions, costs, and time for last-mile goods delivery by drones versus trucks, veröffentlicht in scientific reports, Ausgabe/Auflage 13, 2023/07/21, Online-Referenz doi:10.1038/s41598-023-38922-z
[WiBe19] Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium Verkehr und digitale Infrastruktur Umgang mit Drohnen im deutschen Luftraum. Verkehrspolitische Herausforderungen im Spannungsfeld von Innovation, Safety, Security und Privacy, 2019/04
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Verkehrsfluss
Unter Verkehrsfluss versteht man die Anzahl der Fahrzeuge, die eine vordefinierte Verkehrs(quer)fläche pro Zeiteinheit durchfährt.
Letzte Meile
Im Bereich der Telekommunikation bezeichnet die "letzte Meile", auch Teilnehmeranschlussleitung genannt, die Netzstrecke zwischen dem lokalen Verteilerkasten des entsprechenden Kommunikations-Unternehmens und dem Hausanschluss des Endkunden.
In der Logistik steht der Begriff für die Belieferung des Endkunden im Liefer- und Abholverkehr, also dem letzten notwendigen Transportvorgang.
KEP Kurier, Express, Paket - Bereich in der Transportwirtschaft, der als ein Teilmarkt in der Logistik angesehen wird. Anbieter von Kurier-, Express- und Paketdiensten (KEP) transportieren vornehmlich Sendungen mit relativ geringem Gewicht (von ca. 2 kg bis ca. 31 kg) und Volumen, wie z.B. Dokumente, Päckchen und Kleinstückgüter. Große KEP Anbieter wenden sich auch vermehrt den Märkten der Kontraktlogistik und Fulfillment Dienstleistungen zu.
Tragfähigkeit Wasserverdrängung eines voll abgeladenen Schiffes abzüglich der Schiffsmasse. Umfasst die Massen von Besatzung, Passagieren, Ladung, Brennstoffen, Wasser und aller Vorräte.
übliche Abkürzungen:  Tons deadweighttdw), Dead weight tons)

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?539547

Gedruckt am Sonntag, 22. September 2024 04:24:43