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Bepreisung von Flughäfen und Flugsicherung

Erstellt am: 27.11.2012 | Stand des Wissens: 24.02.2025

Synthesebericht gehört zu:

Die Bepreisung der Flughafeninfrastruktur erfolgt in Form eines Entgeltes, das für das Starten und Landen von Flugzeugen, Abstellen von Flugzeugen und der Benutzung von Fluggasteinrichtungen durch den Flughafenbetreiber erhoben wird. Das Entgelt wird kostenbezogen erhoben und muss für Flughäfen mit mehr als 5 Millionen Passagieren von der Luftfahrtbehörde des jeweiligen Staates ex ante genehmigt werden. Das Entgelt darf nach Lärm und Schadstoffausstoß der Flugzeuge differenziert werden. Nachdem die Europäische Richtlinie [2009/12/EG] für mehr Transparenz der Entgelte auch in Deutschland umgesetzt wurde, gilt hier bezüglich der Flughafenentgelterhebung Paragraf 19b des Luftverkehrsgesetzes [LuftVG].

Zur Festlegung des Entgeltes können unterschiedliche Bepreisungsprinzipien angewendet werden, wie beispielsweise die Ramsey-, Peakload-, Grenzkosten- oder Durchschnittskostenbepreisung.

Das Konzept der peak-load Bepreisung wird bisher auf Flughäfen selten durchgeführt. Unter anderem benutzen die Flughäfen Heathrow und Gatwick, die eine besonders hohe Nachfrage aufweisen, dieses Bepreisungssystem bereits seit den 70er Jahren. So werden je nach Uhrzeit unterschiedliche Entgelte für das Starten und Landen, das Parken und die Passagierabfertigung erhoben. Die Spitzenlasttarifierung geht dabei so weit, dass jede einzelne Leistung unterschiedliche Spitzenlastzeiten aufweist und damit unterschiedlich bepreist werden kann [Knie03a].

Eine Ramsey-Bepreisung von Flughäfen ist in der Praxis schwer zu implementieren. Da es gesetzlich verboten ist, dieselbe Leistung ohne objektive Kriterien zu unterschiedlichen Preisen anzubieten [Nomos01 Artikel 82 Satz 2 a, c; GWB99 Paragraf 19b (4) Nummer 3 und Paragraf 20 (1); LuftVG Paragraf 19b (1) Nr. 4] und Flughäfen kaum belastbare Daten über die Elastizitäten der Fluggesellschaften bereitstellen können, ist dies auch praktisch kaum möglich. Aus theoretischer Sicht ist zudem zu erwähnen, dass es Ausweicheffekte zu benachbarten Flughäfen geben könnte und dass somit die Optimalitätsbedingung dieses Bepreisungsschemas nicht erfüllt ist.

Die auf sehr vielen Flughäfen übliche Bepreisungsmethodik ist eine nach dem maximal zulässigen Startgewicht abhängige Bepreisung. Damit lassen sich zunächst die Grenzkosten der Flughafennutzung refinanzieren. Die Beschädigung der Start- und Landebahn hängt unter anderem von der Belastung der Infrastruktur ab. Je geringer das Gewicht des Flugzeugs, desto weniger Schaden wird auf der Bahn verursacht. Neben dem Gewicht spielen jedoch auch die Anzahl der Räder sowie der Luftdruck der Räder eine Rolle. Je mehr Räder, desto gleichmäßiger verteilt sich das Gewicht des Flugzeugs [KnNe09]. Die kurzfristigen Grenzkosten der Infrastrukturnutzung machen aber nur einen vergleichsweise geringen Teil der Infrastrukturkosten eines Flughafens aus. Daneben sind die Kapitalkosten (Abschreibungen) für gemeinsame und fixe Kosten für Landerwerb, Taxi-Wege und für die Gebäude anzulasten. Wichtig ist dabei die Abgrenzung der flugbedingten (aviation) von den nicht flugbedingten Kosten (non-aviation). Beratungsunternehmen bieten hierfür ihre Dienste für die Aufschlüsselung nach Kostenarten, einschließlich aller Overheads an [PwC24].

Die Richtlinie [2009/12/EG] bildet den Rahmen für das deutsche Luftverkehrsgesetz. Die Umsetzung in Flughafengebühren geschieht in Deutschland durch die Landesluftfahrtbehörden. Zwar soll zwischen der Höhe der Gebühren und den voraussichtlich tatsächlichen Kosten ein angemessenes Verhältnis bestehen, doch gibt es länderbezogen unterschiedliche Auslegungen, so dass noch keine vollständige Transparenz gegeben ist.

Die Flugsicherungsgebühren wurden bis zum Jahr 2012 nach dem Vollkostenprinzip berechnet. Aufgrund wachsender Kritik am fehlenden Effizienzanreiz für die Flugsicherungsgesellschaften folgte dann im Jahr 2015 ein Stufenmodell, das eine Gestaltung der Gebührenhöhen in Abhängigkeit festgestellter Verluste oder Gewinne vorsieht [Wies24]. Die ersten zwei Prozent Abweichung vom Budget muss das Flugsicherungsunternehmen allein tragen beziehungsweise darf es einen entsprechenden Überschuss behalten. Von zwei bis zehn Prozent liegt der Anteil von Risiko und Chance für die Flugsicherung bei 30 Prozent. Bei über zehn Prozent werden Mehreinnahmen dann komplett durch niedrigere Gebühren an die Nutzer zurückerstattet oder Mindereinnahmen komplett durch steigende Gebühren für die Fluggesellschaften ausgeglichen.
Ansprechperson
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Formen der Bepreisung zur Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur (Stand des Wissens: 12.03.2025)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?335946
Literatur
[Knie03a] Knieps, G. Mehr Markt beim Zugang zu den Start- und Landerechten auf europäischen Flughäfen, veröffentlicht in Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Ausgabe/Auflage 96, Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, 2003/06/01
[KnNe09] Knieps, G., Neuscheler, T. Reformansätze bei der Vergabe von Start- und Landerechten auf Flughäfen, veröffentlicht in Fallstudien zur Netzökonomie, Gabler Verlag, Wiesbaden, 2009/07/28, ISBN/ISSN 978-3-8349-1239-8
[PwC24] Price Waterhouse Coopers, PwC (Hrsg.) Flughafenentgelte, 2024
[Wies24] Wies, D. Wie geht eigentlich Flugsicherungsgebühr?, 2025/02/25
Rechtsvorschriften
[2009/12/EG] Richtlinie 2009/12/EG über Flughafenentgelte
[GWB07] Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
[GWB99] Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
[LuftVG] Luftverkehrsgesetz (LuftVG)
[Nomos01] Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der konsolidierten Fassung
Glossar
ex ante lateinisch: im Voraus
Peak-Load Pricing Der Begriff Peak-Load Pricing, zu deutsch Spitzenlasttarifierung, bezeichnet eine Variante der Preissetzung, in der als Differenzierungsmerkmal der zeitliche Anfall der Nachfrage benutzt wird.
Grenzkosten
Die Grenzkosten des Faktoreinsatzes bezeichnen die zusätzlichen Kosten, die für den Einsatz jeweils einer zusätzlichen Faktoreinheit entstehen oder anders ausgedrückt: sie bezeichnen die Kosten der jeweils "letzten" Faktoreinheit. Da nur die variablen Kosten sich verändern, gehen auch nur diese in die Grenzkosten ein. Fixe Kosten werden nicht berücksichtigt.
Die Grenzkosten des Faktoreinsatzes entsprechen im allgemeinen, das heißt bei proportionalen variablen Kosten, den variablen Durchschnittskosten. Weist jedoch die Funktion der variablen Kosten einen diskontinuierlichen Verlauf auf, weil beispielsweise ab einer bestimmten Grenze variable Abschreibungen entstehen, dann müssen die variablen Kosten der letzten Faktoreinheit zur Bestimmung der Grenzkosten herangezogen werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?402904

Gedruckt am Samstag, 15. März 2025 16:13:52