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Ausgestaltungsmöglichkeiten einer Bepreisung zur Finanzierung von Straßeninfrastruktur

Erstellt am: 13.04.2012 | Stand des Wissens: 24.02.2025

Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics

Die Ausgestaltung von Straßenbenutzungsgebühren hängt von den verfolgten Zielen, der politischen Umsetzbarkeit und der mautpflichtigen Infrastruktur ab. So kann sich eine Maut lediglich auf ein bestimmtes Bauwerk beziehen, aber auch auf ein urbanes Gebiet oder auf ein überregionales Straßennetz. Grundsätzlich sind drei Formen der Straßenbepreisung möglich:
  • Fahrleistungsabhängige Bepreisung
  • Zeitabhängige Bepreisung
  • Flächenabhängige Bepreisung

Fahrleistungsabhängige Gebühren bieten die meisten Möglichkeiten für Differenzierungen nach Zeit, Raum, Fahrzeugart, Kostenarten und Verkehrszuständen. Die Gebühr ist dabei proportional zu den zurückgelegten Kilometern zu entrichten und setzt mit zunehmender Differenzierung höher entwickelte und entsprechend aufwendigere Erfassungs- und Abrechnungssysteme voraus. Damit lassen sich neben dem Finanzierungsziel auch Ziele der Nachfragebeeinflussung einbeziehen (zum Beispiel Staureduzierung, Umweltschutz).

Zeitabhängige Gebühren können für einmalige Durchfahrten erhoben werden, zum Beispiel für Brücken, Tunnel oder Gebirgspässe. Für längere Nutzungszeiträume bieten sich Vignettenlösungen an. Diese können zeitlich von Tagen bis hin zu einem Jahr befristet sein und manuell angebracht (Klebefolie an der Windschutzscheibe) oder digital gebucht und kontrolliert werden (wie etwa bei der österreichischen Pkw-Maut). Das Ziel, den Verkehr zu reduzieren, kann mit einer Vignette nur bedingt erreicht werden, da die jeweilige Infrastruktur nach Zahlung beliebig oft befahren werden kann. Verursachergerecht ist eine Vignette ebenfalls nicht, da Vielfahrer und Wenigfahrer finanziell gleich stark belastet werden.

Die flächenabhängige Bepreisung wird in der Regel in Ballungsräumen (Städten) angewandt. Die gängigsten Modelle sind dabei das sogenannte Cordon Pricing und Area Licensing. Beim Cordon Pricing wird ein bestimmtes Gebiet ringförmig abgesteckt. Beim Einfahren in dieses Gebiet wird eine Mautgebühr erhoben. Fahrten, die innerhalb des Gebietes erfolgen, sind in der Regel kostenfrei, wie zum Beispiel beim congestion charging in London. Im Fall eines Area-Licensing wird eine Maut für Fahrten innerhalb des Gebiets erhoben [ErHo10; Samme12]. Ein Beispiel ist das Road Pricing in Singapur, wo die Gebühr nach dem Durchfahren von Portalen streckenbezogen abgebucht wird.

Die Bemautung des Straßenverkehrs in Städten wird überwiegend mit dem Ziel der Verkehrslenkung eingeführt. Für eine optimale Verkehrslenkung ist die variable Bepreisung, vor allem hinsichtlich der Tageszeiten, ein geeignetes Instrument. So werden bei Spitzenlastzeiten, in denen die Verkehrsstärke besonders hoch ist (Peak Perioden), höhere Preise - und in den sogenannten Off-Peak Perioden niedrigere Preise - gesetzt [BuKoSwe04].

Eine weitere Differenzierung der Mauten ist nach Fahrzeugeigenschaften und individuellem Nutzerverhalten möglich. Sollen die externen Effekte wie Lärm oder Schadstoffemissionen bei der Nutzung der Straße mit einbezogen werden, können umweltfreundliche Antriebe oder spritsparende Fahrzeuge ebenfalls begünstigt werden. Beispielsweise sind Fahrzeuge mit alternativen Antrieben in London von der Gebühr befreit. Häufiges Beschleunigen und Bremsen belastet die Umwelt stärker als ein gleichmäßiger Fahrstil, weshalb eine höhere Mautgebühr für einen umweltbelastenden Fahrstil sinnvoll sein kann. In der Praxis ist eine solche Differenzierung nach Nutzerverhalten jedoch kaum umsetzbar. Grundsätzlich gilt, dass eine Einführung einer Straßenbenutzungsgebühr einen Anreiz bietet, die Personenanzahl im Auto zu erhöhen, so dass pro Person weniger Gebühren pro Kilometer anfallen. Zusätzliche Anreize für eine stärkere Auslastung der Fahrzeuge könnten durch eine geringere Bemautung für Fahrzeuge mit einer höheren Auslastung gesetzt werden [Samme12; ErHo10].

Seit 2005 gibt es in Deutschland eine fahrleistungsabhängige Straßenbenutzungsgebühr für Lkw, die zunächst auf Autobahnen eingeführt wurde und seit 2024 für das gesamte Bundesstraßennetz sowie für alle Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen technisch zulässiger Gesamtmasse gilt [BFStrMG11, BStrMautErhebV]. Europäische Richtlinien bilden den Rechtsrahmen, beginnend mit der Eurovignetten-Richtlinie [1999/62/EGa] welche mittlerweile mehrfach revidiert wurde (siehe [(EU) 2022/362]). Primäres Ziel ist die Deckung der gesamten Infrastrukturkosten, also der fixen Kapitalkosten und der laufenden Kosten. Zusätzlich eröffnet die Richtlinie in ihrer jüngsten Fassung die Möglichkeit, externe Kosten über Zuschläge für die Emissionen an Lärm, Abgasen und CO2 einzubeziehen. Dies ist in der deutschen Wegekostenrechnung für die Jahre 2023 bis 2027, die den Lkw-Mautsätzen zugrunde liegt, berücksichtigt. Die weitere Option der europäische Richtlinie, auch nach Staugrenzkosten zu differenzieren, ist dagegen in Deutschland bislang nicht umgesetzt worden. Die geplante Einführung einer Pkw-Maut mit zeitabhängiger Vignette wurde vom Europäischen Gerichtshof im Jahr 2019 gestoppt.
Ansprechperson
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Erhebung von Staugebühren zum Management knapper Kapazitäten (Stand des Wissens: 26.09.2024)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?388207
Formen der Bepreisung zur Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur (Stand des Wissens: 12.03.2025)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?335946
Literatur
[BuKoSwe04] Burris, M.; Konduru, K. ; Swenson, C. (o.J.). Long-Run Changes in Driver Behavior Due to Variable Tolls, veröffentlicht in Journal of the Transportation Research Board, Ausgabe/Auflage 1864, TRB, National Research Council, Washington, D.C., 2004
[ErHo10] Erdmenger, Christoph , Hoffmann, Dr. Caroline , Frey, Kilian , Lambrecht, Martin , Wlodarski, Wojciech Pkw-Maut in Deutschland? Eine umwelt- und verkehrspolitische Bewertung, 2010/04
[Samme12] Sammer, G. Wirkungen und Risiken einer City-Maut als zentrale Säule eines städtischen Mobilitätskonzepts., 2012
Rechtsvorschriften
[(EU) 2022/362] EU-Richtlinie 2022/362 Des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Februar 2022 zur Änderung der Richtlinien 1999/62/EG, 1999/37/EG und (EU) 2019/520
[1999/62/EGa] EU-Richtlinie 1999/62/EG
[BFStrMG11] Bundesfernstraßenmautgesetz (BFStrMG)
[BStrMautErhebV] Verordnung zur Anordnung des Beginns der Mauterhebung auf Abschnitten von Bundesstraßen (BStrMautErhebV)
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
CO
= Kohlenstoffmonoxid. CO ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff und gehört damit neben Kohlenstoffdioxid zur Gruppe der Kohlenstoffoxide. Es ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas. Kohlenstoffmonoxid beeinträchtigt die Sauerstoffaufnahme von Menschen und Tieren. Schon kleine Mengen dieses Atemgiftes haben Auswirkungen auf das Zentralnervensystem.
Es entsteht bei der unvollständigen Oxidation von kohlenstoffhaltigen Substanzen. Dies erfolgt zum Beispiel beim Verbrennen dieser Stoffe, wenn nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht oder die Verbrennung bei hohen Temperaturen stattfindet. Kohlenstoffmonoxid selbst ist brennbar und verbrennt mit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid. Hauptquelle für die CO-Belastung der Luft ist der Kfz-Verkehr.
Verkehrsstärke
Die Verkehrsstärke ist eine Kennzahl für die Stärke eines Verkehrsstroms an einem Querschnitt, gemessen in der Anzahl der Verkehrseinheiten, die diese Stelle pro Zeiteinheit passieren. Man spricht in diesem Zusammenhang von Streckenbelastung, wenn sich die Quantifizierung des Verkehrsstroms alternativ auf einen betrachteten Streckenabschnitt und nicht auf einen Querschnitt bezieht.
Verkehrsstärke = Verkehrseinheiten am Querschnitt / Bezugsperiode
Gebräuchliche Einheiten für die Verkehrsstärke sind z. B. Fahrzeuge [Fzg] pro Tag [24h] oder Stunde [h] (z. B. durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke, kurz DTV [Fzg/24h])
Externe Kosten Kosten, die nicht vom eigentlichen Verursacher, sondern von der Allgemeinheit getragen werden und deshalb nicht in den Marktpreisen enthalten sind, werden als externe Kosten bezeichnet.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?387228

Gedruckt am Samstag, 15. März 2025 18:52:07