Nutzenüberschätzungen bei Megaprojekten
Erstellt am: 27.05.2011 | Stand des Wissens: 21.02.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Neben Kostenunterschätzungen gibt es Ungenauigkeiten bei der Prognose der Nutzeneffekte. Nutzeneffekte hängen im Wesentlichen von der prognostizierten Verkehrsnachfrage ab. Vor allem bei Bahnprojekten kommt es bei neun von zehn zu einer Nachfrageüberschätzung in Höhe von durchschnittlich 40 Prozent (vgl. Abb. 1).
Davon weichen
- 85 Prozent der Bahnprojekte um 20 Prozent,
- 74 Prozent der Bahnprojekte um 40 Prozent,
- und 41 Prozent der Bahnprojekte um mehr als 60 Prozent von ihrer Prognose ab. [FlBrRo03, S. 26]
Abb. 1: Prozentuale Differenz zwischen tatsächlicher und prognostizierter Nachfrage, basierend auf der Analyse von 27 Bahn- und 183 Straßenprojekten [FlBrRo03, S. 27]
Im Gegensatz zu Bahnprojekten fällt die tatsächliche Verkehrsnachfrage bei Straßenprojekten durchschnittlich nicht geringer, sondern um 9 Prozent höher aus als erwartet. Dennoch treten bei der Hälfte der Straßenprojekte Abweichungen der prognostizierten Verkehrsnachfrage um mehr als 20 Prozent von der tatsächlichen auf. Ein Viertel der untersuchten Straßenprojekte wurden mit einer um +/-40 Prozent abweichenden Verkehrsnachfrage kalkuliert. [FlBrRo03, S. 26]
Die besonders hohe Fehlkalkulation der Nachfrageentwicklung bei Bahnprojekten kann durch den ideologischen Wunsch der Politiker erklärt werden, mehr Verkehrsteilnehmer auf die Schiene zu bekommen und damit den Straßenverkehr zu entlasten. Dadurch besteht ein besonderer Anreiz, den Nutzen des Schienenprojekts möglichst hoch auszuweisen. [PrFlWe08, S. 124f]
Als weitere Hauptgründe für Nachfrageüberschätzungen gelten:
- Zu optimistische Einschätzungen beratender Unternehmen und Projektträger
- Unerwartete Änderungen exogener Faktoren (politisch, ökonomisch, sozial)
- Unvollständige Datengrundlage
- Unstetiges menschliches Verhalten und der Einfluss komplementärer Faktoren
- Abhängigkeiten von weiteren Infrastrukturprojekten [FlBrRo03, S. 28ff]