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Allokative Wirkungen von Steuern und Gebühren im Straßenverkehrssektor

Erstellt am: 15.03.2011 | Stand des Wissens: 20.08.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Infrastrukturwirtschaft und -management - Prof. Dr. Thorsten Beckers
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics

Die allokativen Wirkungen der verschiedenen Einnahmequellen beziehen sich auf zwei Ebenen:
  • Festlegung der Bemessungsgrundlagen für Steuern und Gebühren, wobei für die Festlegung von Mautgebühren Kostenallokationen auf die Nutzerkategorien erforderlich sind.
  • Abschätzung der wirtschaftlichen Auswirkungen von Steuern und Gebühren auf die Kategorien der Betroffenen und deren Verkehrsentscheidungen.
Die Bemessung und Zuordnung von Verkehrssteuern beeinflussen Entscheidungen und Verhalten der Verkehrsteilnehmer. Kfz-Steuern werden nach Hubraum (2 Euro je 100 Kubikzentimeter für Benziner, 9,50 Euro je 100 Kubikzentimeter für Diesel) und CO2-Emissionen (Freigrenze unter 95 Gramm je Kilometer, darüber 6 CO2-Klassen zwischen 2 und 4 Euro je Kilometer) besteuert [ADAC24]. Dies soll das Kaufverhalten in Richtung verbrauchsgünstiger Fahrzeuge lenken. Die Energiesteuer liegt bei Benzin bei 65,45 Euro-Cent je Liter und bei Dieselkraftstoff bei 47,04 Euro-Cent je Liter [ADAC24a]. Diese Differenz ist historisch durch die Unterstützung des Wirtschaftsverkehrs begründet und wird vom Standpunkt des Umweltschutzes aus kritisch bewertet. In Kombination von Kfz- und Energiesteuer ergibt sich, dass Diesel-Fahrzeuge von Käuferinnen und Käufern vor allem bei höheren Kilometerleistungen bevorzugt werden.
Bei der Gebührenfinanzierung stehen neben der Finanzierungsfunktion zwei Prinzipien im Vordergrund. Erstens orientiert sich die Gebührenfinanzierung am Lenkungsprinzip, welches von der EU-Kommission über einen längeren Zeitraum als user-pays-principle favorisiert wurde. Das Grünbuch "Faire und effiziente Preise im Verkehr" schlug hierzu eine Gebührenordnung für die Nutzung von Verkehrsinfrastrukturen auf Grundlage der Grenzkosten vor [KOM95]. Der Nutzende soll danach mit den von ihm individuell verursachten Kosten belastet werden, um sein Verhalten an die Kosten anzupassen. Dabei spielen die von ihm verursachten Staukosten eine dominierende Rolle, sodass mit der Gebührenerhebung eine verbesserte Auslastung der Verkehrsinfrastrukturen erreicht werden soll.
Ein zweiter Leitgedanke der Kostenanlastung über Gebühren ist das Prinzip der kollektiven Kostenverursachung, das auch als Veranlassungsprinzip bezeichnet wird. Hier ist maßgebend, dass die Verkehrsteilnehmer mit ihrer gesamten Nachfrage nach Verkehrsfläche auch die fixen und gemeinsamen Infrastrukturkosten veranlassen, die der individuelle Nutzende bei der Nutzung nicht wahrnimmt. Dabei ist jeder Verkehrsteilnehmer über ein Umlageverfahren an diesen Kosten zu beteiligen. Dies führt in der ökonomischen Umsetzung zu einer vollkostenbasierten Kostenallokation, das heißt, dass neben den variablen Einzelkosten auch fixe Gemeinkosten berücksichtigt werden.
Die Erhebung von Vollkosten dient primär einer Finanzierung nach Kostenverursachung, zum Beispiel bei den Verkehrsinfrastrukturen. Eine Lenkungswirkung kann durch Differenzierung der Gebühren erreicht werden, so zum Beispiel durch Staffelung nach Emissionsklassen oder nach Zeiten und Strecken.
Die Lkw-Mauten in Deutschland werden aufgrund der EU-Richtlinie [(EU) 2022/362] nach dem Vollkostenprinzip berechnet. Die Richtlinie erlaubt neben der Anlastung von anteiligen Infrastrukturkosten auch Gebühren für Umwelt- und Staukosten. Die Mauthöhen auf den Bundesfernstraßen werden auf dieser Grundlage allerdings ohne Staukosten berechnet.
Ansprechperson
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Einnahmequellen für die Fernstraßenfinanzierung (Stand des Wissens: 15.06.2015)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?345836
Literatur
[ADAC24] Meyer, H., Gieße, A. Kfz-Steuer: So wird sie berechnet, 2024/01
[ADAC24a] Gieße, A. Benzinpreis und Dieselpreis: So entstehen die Spritpreise aktuell, 2024/02/09
[KOM95] Europäische Kommission, Europäische Kommission (Hrsg.) Faire und effiziente Preise im Verkehr - politische Konzepte zur Internalisierung der externen Kosten
des Verkehrs in der europäischen Union - Grünbuch, 1995/12/20
Rechtsvorschriften
[(EU) 2022/362] EU-Richtlinie 2022/362 Des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Februar 2022 zur Änderung der Richtlinien 1999/62/EG, 1999/37/EG und (EU) 2019/520
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
CO
= Kohlenstoffmonoxid. CO ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff und gehört damit neben Kohlenstoffdioxid zur Gruppe der Kohlenstoffoxide. Es ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas. Kohlenstoffmonoxid beeinträchtigt die Sauerstoffaufnahme von Menschen und Tieren. Schon kleine Mengen dieses Atemgiftes haben Auswirkungen auf das Zentralnervensystem.
Es entsteht bei der unvollständigen Oxidation von kohlenstoffhaltigen Substanzen. Dies erfolgt zum Beispiel beim Verbrennen dieser Stoffe, wenn nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht oder die Verbrennung bei hohen Temperaturen stattfindet. Kohlenstoffmonoxid selbst ist brennbar und verbrennt mit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid. Hauptquelle für die CO-Belastung der Luft ist der Kfz-Verkehr.
Grenzkosten
Die Grenzkosten des Faktoreinsatzes bezeichnen die zusätzlichen Kosten, die für den Einsatz jeweils einer zusätzlichen Faktoreinheit entstehen oder anders ausgedrückt: sie bezeichnen die Kosten der jeweils "letzten" Faktoreinheit. Da nur die variablen Kosten sich verändern, gehen auch nur diese in die Grenzkosten ein. Fixe Kosten werden nicht berücksichtigt.
Die Grenzkosten des Faktoreinsatzes entsprechen im allgemeinen, das heißt bei proportionalen variablen Kosten, den variablen Durchschnittskosten. Weist jedoch die Funktion der variablen Kosten einen diskontinuierlichen Verlauf auf, weil beispielsweise ab einer bestimmten Grenze variable Abschreibungen entstehen, dann müssen die variablen Kosten der letzten Faktoreinheit zur Bestimmung der Grenzkosten herangezogen werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?344793

Gedruckt am Sonntag, 22. September 2024 08:41:12