Elektronisches Fahrgeldmanagement
Erstellt am: 15.01.2011 | Stand des Wissens: 05.03.2025
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck
Das Elektronische Fahrgeldmanagement (EFM) ist ein zentraler Baustein der Digitalisierung im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Neben klassischen eTicketing-Lösungen wie Chipkarten oder QR-Code-Tickets gewinnen zunehmend automatisierte Ticketing-Ansätze an Bedeutung, darunter Check-in/Check-out (CiCo) und Be-in/Be-out (BiBo).
Moderne EFM-Systeme wie FAIRTIQ oder Swipe-in/Swipe-out-Verfahren nutzen Smartphone-Sensoren, GPS und Algorithmen, um Fahrten automatisch zu erkennen und den günstigsten Fahrpreis zu berechnen. Die Forschung zeigt, dass diese Systeme eine niedrigere Zugangshürde bieten, was zu höherer ÖPNV-Nutzung und steigenden Einnahmen führen kann. [FaT25]
Moderne EFM-Systeme wie FAIRTIQ oder Swipe-in/Swipe-out-Verfahren nutzen Smartphone-Sensoren, GPS und Algorithmen, um Fahrten automatisch zu erkennen und den günstigsten Fahrpreis zu berechnen. Die Forschung zeigt, dass diese Systeme eine niedrigere Zugangshürde bieten, was zu höherer ÖPNV-Nutzung und steigenden Einnahmen führen kann. [FaT25]
Das EFM besteht nach Definition des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) aus den folgenden drei Stufen [VDV01b]:
- Stufe I Elektronisches Bezahlen (ePayment):
Einsatz von elektronischen Karten (z. B. Chipkarten oder kontaktlosen Zahlungsmethoden) für den Fahrscheinerwerb.
Beispiele: Giro-e, Apple Pay, Google Pay, kontaktlose Kreditkartenzahlung im ÖPNV - Stufe II Elektronisches Ticketing (eTicketing):
Nutzung von Chipkarten oder mobilen Endgeräten als Trägermedium für virtuelle Fahrscheine.
Beispiele: Deutschlandticket, QR-Code-Tickets in Apps - Stufe III Automatisierte Fahrpreisermittlung (CiCo & BiBo):
Ermittlung des Fahrpreises basierend auf zurückgelegten Strecken innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z. B. Tag, Monat) mittels elektronischer Identifikation.
Check-in/Check-out (CiCo): Fahrgäste checken sich per App oder Karte ein und aus
Beispiel: FAIRTIQ (Smartphone-App mit GPS-Tracking)
Be-in/Be-out (BiBo): Automatische Fahrterkennung ohne aktives Einchecken
Beispiel: Bluetooth- oder WLAN-basierte Systeme in Testphasen
Die Vorteile des EFM für die Verkehrsunternehmen liegen in:
- Verringerung der Vertriebskosten, da die Geld- und Papierfahrscheinlogistik reduziert wird
- Flexible Anpassung der Preisbildungssysteme an Kundenwünsche und Markterfordernisse
- unter Umständen Beschleunigung des Fahrgastflusses in Bussen
- Erhöhung der Kundenzufriedenheit durch Vereinfachung der Tarifsysteme
- Abbau von Zugangshemmnissen für Gelegenheitsnutzer und somit Einnahmengenerierung
- Verbesserung der Datenbasis durch Nutzung der generierten Quelle-Ziel-Daten [JANS08]
Die Vorteile des EFM für die Fahrgäste liegen in:
- Verbesserung der Begreifbarkeit der Tarifsysteme
- Beschleunigung des Fahrscheinerwerbs
- Kostentransparenz
- Vermeidung von Fehlentrichtungen
- Komfortzugewinn durch Interoperabilität der Ticketing-Systeme unterschiedlicher Räume [JANS08]
Zwingende Voraussetzung für die Entfaltung dieser Vorteile ist jedoch die Schaffung einheitlicher und interoperabler Systeme. Um Insellösungen und Parallelentwicklungen zu vermeiden, wurde daher durch die Verkehrsunternehmen des VDV sowie Industrie- und Beratungsunternehmen die sogenannte "VDV-Kernapplikation elektronisches Fahrgeldmanagement" (VDV-KA) erarbeitet. Sie stellt einen gemeinsamen Standard für die Einführung eines standardisierten und interoperablen EFM dar [VDVKA].
Die Risiken für das EFM liegen in den hohen Investitionskosten für Systementwicklung, -aufbau und -verbreitung sowie in den möglichen Akzeptanzproblemen seitens der Nutzenden, die beispielsweise durch mangelndes Vertrauen in den Datenschutz oder in die Sicherheit der Technologie hervorgerufen werden.
Zur Sicherstellung der Standardisierung und Interoperabilität der Anwendungen in Deutschland hat das Bundesverkehrsministerium die Förderinitiative "(((eTicket Deutschland" ins Leben gerufen. Die VDV-KA wurde dabei als zwingende Voraussetzung für die Förderung von Forschungs- und Entwicklungs-Projekten übernommen. Im Rahmen dieser Förderinitiative wurden in Deutschland zahlreiche Projekte implementiert, die einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau und zur Erprobung von zentralen Anwendungen der VDV-KA sowie zur praktischen Erprobung des elektronischen Tickets im Fahrgastbetrieb leisteten [BMVBS10c].
Im Rahmen der Coronapandemie und der daraus resultierenden Förderung des ÖPNV in Form des 9-Euro-Tickets (mittlerweile Deutschlandticket) wurde eine flächendeckende Digitalisierung der Verkehrsbetriebe ausgelöst, die im Kern auf der Vorarbeit des VDV in Form der VDV-Kernapplikation (VDV-KA) basierte. Durch die Vereinheitlichung des Ticketsystems im ÖPNV wurde gleichzeitig die politische Forderung des mobilen/digitalen Tickets umgesetzt. Somit wurde ebenfalls das Risiko der hohen Investitionskosten bei der Implementierung reduziert. Durch die mediale große Aufmerksamkeit und einhergehende Informationskampagne konnte ebenfalls Akzeptanz geschaffen und Misstrauen reduziert werden. [VDV23]
Die neusten Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) wird auch das EFM beeinflussen. Beispielsweise in Nordrhein-Westfalen gab es 2023 einen Landeswettbewerbs zu innovativen Ansätzen aus dem Bereich der KI für den ÖPNV. Im Fokus standen digital gesteuerte flexible Mobilitätsangebote, eine verbesserte Anpassung von Verkehrsangeboten an die Fahrtnachfrage sowie KI-basierte Modelle zur Prognose der Auslastung von Bussen. Diese Technologien sollen dazu beitragen, die Effizienz, Nutzerfreundlichkeit und Kapazitätssteuerung im ÖPNV zu optimieren. [MUNV23]