Elektronisches Fahrgeldmanagement
Erstellt am: 15.01.2011 | Stand des Wissens: 27.03.2020
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck
Elektronisches Fahrgeldmanagement (EFM) ist der Oberbegriff für alle Maßnahmen rund um das elektronische Ticketing und umfasst damit sowohl Maßnahmen der Einführung elektronischer Bezahlsysteme, elektronischer Ticketmedien im Vertrieb des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) aber auch die Hintergrundsysteme beispielsweise zur Berechnung der Wegestrecke, der kundenspezifischen Abrechnung und des Clearings (deutsch: Abrechnung), die für die Einführung des elektronischen Tickets im ÖPNV erforderlich sind. Hauptziele des EFM sind die Erhöhung der Effizienz des Fahrscheinvertriebs und die Abschaffung von Zugangshemmnissen zum ÖPNV, die mit dem Vertrieb zusammenhängen.
Das EFM besteht nach Definition des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) aus folgenden drei Stufen [VDV01b]:
- Stufe I Elektronisches Bezahlen: Verwendung elektronischer Karten, meist Chipkarten, als elektronische Geldbörse oder zum Fahrscheinerwerb an Automaten.
- Stufe II Elektronisches Ticket: Elektronisches Medium, meist eine Chipkarte aber auch ein Mobiltelefon, auf dem ein virtueller Fahrschein abgelegt wird.
- Stufe III Automatische Fahrpreisberechnung: Verwendung des elektronischen Mediums zur Identifikation und automatisierten Ermittlung des Fahrpreises auf Grundlage der in einem definierten Zeitraum (zum Beispiel Tag, Monat) zurückgelegten Strecken und weiterer festzulegender Bedingungen.
Das sogenannte "Handy-Ticketing" ist in diesem Zusammenhang keine Sonderform des elektronischen Ticketing, sondern ein weiteres elektronisches Medium im Spektrum des EFM.
Die Vorteile des EFM für die Verkehrsunternehmen liegen in:
Die Vorteile des EFM für die Fahrgäste liegen in:
- Verringerung der Vertriebskosten, da die Geld- und Papierfahrscheinlogistik reduziert wird
- Flexible Anpassung der Preisbildungssysteme an Kundenwünsche und Markterfordernisse
- unter Umständen Beschleunigung des Fahrgastflusses in Bussen
- Erhöhung der Kundenzufriedenheit durch Vereinfachung der Tarifsysteme
- Abbau von Zugangshemmnissen für Gelegenheitsnutzer und somit Einnahmengenerierung
- Verbesserung der Datenbasis durch Nutzung der generierten Quelle-Ziel-Daten [JANS08]
Die Vorteile des EFM für die Fahrgäste liegen in:
- Verbesserung der Begreifbarkeit der Tarifsysteme
- Beschleunigung des Fahrscheinerwerbs
- Kostentransparenz
- Vermeidung von Fehlentrichtungen
- Komfortzugewinn durch Interoperabilität der Ticketing-Systeme unterschiedlicher Räume [JANS08]
Zwingende Voraussetzung für die Entfaltung dieser Vorteile ist jedoch die Schaffung einheitlicher und interoperabler Systeme. Um Insellösungen und Parallelentwicklungen zu vermeiden, wurde daher durch die Verkehrsunternehmen des VDV sowie Industrie- und Beratungsunternehmen die sogenannte "VDV-Kernapplikation elektronisches Fahrgeldmanagement" (VDV-KA) erarbeitet. Sie stellt einen gemeinsamen Standard für die Einführung eines standardisierten und interoperablen EFM dar [VDVKA].
Die Risiken für das EFM liegen in den hohen Investitionskosten für Systementwicklung, -aufbau und -verbreitung sowie in den möglichen Akzeptanzproblemen seitens der Nutzenden, die beispielsweise durch mangelndes Vertrauen in den Datenschutz oder in die Sicherheit der Technologie hervorgerufen werden.
Zur Sicherstellung der Standardisierung und Interoperabilität der Anwendungen in Deutschland hat das Bundesverkehrsministerium die Förderinitiative "(((eTicket Deutschland" ins Leben gerufen. Die VDV-KA wurde dabei als zwingende Voraussetzung für die Förderung von Forschungs- und Entwicklungs-Projekten übernommen. Im Rahmen dieser Förderinitiative wurden in Deutschland zahlreiche Projekte implementiert, die einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau und zur Erprobung von zentralen Anwendungen der VDV-KA sowie zur praktischen Erprobung des elektronischen Tickets im Fahrgastbetrieb leisteten [BMVBS10c].
Die Forschungs- und Entwicklungs-Aktivitäten im elektronischen Fahrgeldmanagement für den Öffentlichen Verkehr werden seit 2006 durch Bundesmittel im Rahmen von verschiedenen Forschungsprogrammen gefördert.