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Die Idee einer konkurrenzbasierten Preisbildung

Erstellt am: 06.12.2010 | Stand des Wissens: 24.02.2025

Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics

In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur gibt es vielfältige Beiträge zur Effizienz von engen Oligopolen oder zur Konkurrenz von Monopolen mit Produktähnlichkeiten. Beispiele sind die Luftfahrtindustrie (Boeing, Airbus) oder die social media Plattformen. Dabei können im Idealfall Marktformen der monopolistischen Konkurrenz entstehen, die keine Preisregulierung notwendig machen. Auf der einen Seite werden die Unternehmen gezwungen sein, ihre Gesamtkosten zu decken und auf der anderen Seite sind keine übernormalen Gewinne durch Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung möglich. Auch gibt es starke Antriebe, Innovationsvorsprünge zu erzielen oder aufzuholen, so dass solche Marktformen zu dynamischeren Entwicklungen führen können als eine vollkommene Konkurrenzlandschaft mit vielen Anbietern. Damit wäre eine Entkoppelung der Finanzierung vom Staatshaushalt möglich und auch die staatliche Preisregulierung könnte entfallen. Dagegen verbliebe die staatliche Aufgabe, eine funktionsfähige Marktstruktur herzustellen und zu sichern, zum Beispiel durch bundling-Verbote, also der Nachfragebindung durch Koppelung von Produkten.

In der Realität gibt es die Netze der verschiedenen Verkehrsträger, die in Konkurrenz zueinander stehen. Die Existenz verschiedener Verkehrsträger lässt sich darin begründen, dass sie für unterschiedliche Nutzergruppen und deren jeweilige Verkehrszwecke geeignete Verkehrsoptionen darstellen. Ebenso gibt es bei nodalen Infrastrukturen wie Häfen und Flughäfen eine räumliche Konkurrenz. Beiden Fällen ist gemeinsam, dass die Kunden zwischen verschiedenen Substituten wählen können, wobei ihnen jedoch gegebenenfalls ein höherer Aufwand beziehungsweise ein geringerer Nutzen entstehen. Dem Nutzen durch Auswahlvielfalt (beziehungsweise Passgenauigkeit der verschiedenen Angebote) stehen die Bereitstellungskosten der konkurrierenden Verkehrsträger oder Infrastrukturen entgegen. Die Unterschiedlichkeit der Verkehrsangebote verschiedener Verkehrsträger und die Affinitäten verschiedener Nachfragergruppen für bestimmte Verkehrsmittel hemmen die Entstehung einer wettbewerblichen Konkurrenzlandschaft im Verkehr mit freier Preisgestaltung und Selbstfinanzierung. Dies gilt für den Personen- wie auch den Güterverkehr.

Dagegen ist eine Selbstfinanzierung in Teilbereichen der Verkehrsträger durchaus möglich. Am ehesten könnte die Idealvorstellung einer monopolistischen Konkurrenz und Selbstfinanzierung im Flugverkehr erreicht werden. Häufig stehen mehrere räumlich benachbarte Flughäfen im Wettbewerb um Kunden. Jedoch werden Regional-Flughäfen aus verschiedenen lokalen und überregionalen Quellen subventioniert. Dies führt dazu, dass große internationale Flughäfen stark ausgelastet sind und selbstfinanzierend arbeiten können, während viele kleinere Regionalflughäfen nicht ausgelastet sind und nur durch Subventionierung überleben. Eine weitere Erhöhung der Anzahl von Regionalflughäfen scheint einer Expertenbefragung zufolge nicht ratsam [Ring07]. Hier wird ein Zurückfahren der Subventionen empfohlen, um das Passagieraufkommen neu zu verteilen [Ring07].

Im Straßenverkehr schließen sich konkurrierende Parallelinfrastrukturen im Bundesfernstraßennetz aufgrund der hohen Fixkosten aus. Eine Selbstfinanzierung der Gesamtkosten ist aber durchaus möglich. Die Idee der Selbstfinanzierung für die Bundesfernstraßen wurde von verschiedenen Reformkommissionen für die Infrastrukturfinanzierung namentlich der Pällmann-Kommission im Jahr 2000, der Daehre-Kommission im Jahr 2012 sowie der Bodewig-Kommissionen I und II im Jahr 2015 - propagiert und findet sich in der Gründung der Verkehrsfinanzierungsgesellschaft (VIFG) im Jahr 2003 wieder. Dabei galt das Prinzip des Finanzierungskreislaufs Straße finanziert Straße, so dass die Mauteinnahmen vollständig für den Fernstraßenbereich verwendet wurden. Die Nachfolgegesellschaft für die VIFG ist seit 2018 die Autobahn GmbH des Bundes, der nur noch 50 Prozent der Mauteinnahmen zufließen, während die restlichen 50 Prozent anderen Maßnahmen im Bereich Mobilität zukommen (Prinzip: Verkehr finanziert Verkehr) [VIFG15].

Bei der bundeseigenen Schieneninfrastruktur mit rund 33.000 Kilometer Streckenlänge hat die DB InfraGo AG ein Monopol. Wie die Bilanz der DB InfraGo AG von 2023 zeigt, hat sie in jenem Jahr einen Verlust von 1,4 Milliarden Euro im Bereich Fahrwege und 197 Millionen Euro bei den Personenbahnhöfen bei Umsatzerlösen von etwa 7,6 Milliarden Euro erzielt. Die Verluste werden auf den angestrebten Investitionshochlauf zurückgeführt und sind Ausdruck der zunehmenden Gemeinwohlorientierung seit der neugegründeten DB InfraGo [DBIG24a]. Eine öffentliche Subventionierung der Trassenkosten (zum Beispiel mit 31,5 Prozent der Trassengebühren im Schienengüterverkehr im Jahr 2024) wird auch für die nähere Zukunft unvermeidlich sein, so dass die Idee eines selbstfinanzierten Schienennetzes in Deutschland unrealistisch erscheint. Selbst in Japan, wo die Zugauslastungen erheblich höher sind, gelingt die Selbstfinanzierung nur durch die erheblichen Zusatzeinnahmen aus der Vermarktung bahnhofsnaher Grundstücke.

Die Idee der Selbstfinanzierung ist in den letzten Jahren durch das Prinzip der gemeinwohlorientierten Finanzierung in den Hintergrund gedrängt worden, was zum Teil auf exogene Faktoren wie die Corona-Pandemie und die schwächere Konjunktur zurückzuführen ist. Aber auch die Vernachlässigung der Infrastrukturerhaltung in den letzten Jahrzehnten trägt dazu bei, dass sich ein Erhaltungsaufwand aufgestaut hat, der durch Selbstfinanzierungsmechanismen kaum zu decken sein wird. Dennoch lassen sich Anreizmechanismen etablieren, die langfristig zu einer Verminderung des Subventionsbedarfs für die Verkehrsinfrastrukturen führen.
Ansprechperson
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Formen der Bepreisung zur Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur (Stand des Wissens: 12.03.2025)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?335946
Literatur
[DBIG24a] DB InfraGO AG (Hrsg.) DB InfraGO AG Geschäftsbericht 2023, 2024/02
[Ring07] Ringbeck, Jürgen Effectively planning and managing European airport capacity , veröffentlicht in Trends and Issues in Global Tourism 2007, 2007
[VIFG15] VIFG (Hrsg.) Mauteinnahmen und Mautverwendung, 2015
Glossar
Schienengüterverkehr
Unter Schienengüterverkehr (SGV) wird der Transport von Gütern mit der Eisenbahn verstanden. Diese werden in Güterzügen unter Verwendung (spezieller) Güterwagen befördert. Diese Verkehre können entweder auf gesonderten Güterverkehrsstrecken oder im Mischverkehr, auf gemeinsam durch den Güter- und Personenverkehr genutzten Strecken, realisiert werden. Leistungen des Schienengüterverkehrs werden häufig als Teil einer Logistikkette in logistische Gesamtkonzepte eingebunden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?335344

Gedruckt am Samstag, 15. März 2025 16:05:18