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Auktionen, Ausschreibungswettbewerb und Kofinanzierungen

Erstellt am: 06.12.2010 | Stand des Wissens: 24.02.2025

Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics

Auktionen und Ausschreibungswettbewerbe sind Maßnahmen, die Unternehmensaktivitäten in Netzen vorgelagert sind, indem sie Nutzungsrechte und -kosten bestimmen. Damit beeinflussen diese die Aufteilung der Kosten zwischen öffentlicher Hand und Netzunternehmen sowie deren Preisstrategien. Auktionen für die Vergabe von Nutzungsrechten finden im Bereich der Landverkehrsträger wenig Anwendung. In der Schweiz wird der Einsatz von Auktionen für die Zuweisung von Durchfahrtsrechten im Schienenverkehr untersucht [Pola06]. Im Bereich der Kommunikationsnetze sind dagegen Auktionen die Regel, wenn Sendefrequenzen wettbewerbsgerecht vergeben werden sollen. Die Einnahmen können grundsätzlich zur Systemverbesserung und -entwicklung verwendet werden, also Fixkosten für Erhaltung und Modernisierung abdecken. Fließen sie in den allgemeinen Haushalt, entlasten sie Steuerzahler und führen zu einer Quersubventionierung von Nutzern zu Nicht-Nutzern.

Im Verkehrsbereich werden Nutzungsrechte privater Unternehmen an Infrastrukturen in der Regel entweder gesetzlich festgelegt oder durch Ausschreibung vergeben. Beispiele für die gesetzliche Vergabe sind die Bundesautobahn GmbH oder die DB InfraGo:
  • Die Bundesautobahn GmbH, gegründet im Jahr 2018, betreibt seit 2021 Planung, Bau, Betrieb und Finanzierung von Bundesautobahnen und Teilen des Bundesstraßennetzes (für einige Bundesländer). Die Gesellschaft erhält die Hälfte der Einnahmen aus der Lkw-Maut, während die andere Hälfte weiteren Mobilitätszwecken zugewiesen wird.
  • Die DB InfraGo-Gesellschaft ist seit 2021 ein gemeinwohlorientiertes bundeseigenes Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das als Tochterunternehmen der Deutschen Bahn in privatwirtschaftlicher Rechtsform (AG) firmiert. InfraGo hat ein gesetzlich verankertes Angebotsmonopol für Netze, Stationen und Service-Einrichtungen der Deutschen Bahn. Dafür erhält die Gesellschaft die Einnahmen aus den Trassengebühren, welche die Nutzer von Personen- und Güterverkehrsgesellschaften variabel leisten.
Ausschreibungswettbewerb findet sich in unterschiedlichen Ausprägungen im Straßen- und Luftverkehr. So werden öffentlich-private Partnerschafts-Projekte (ÖPP) für Straßenprojekte in der Regel an den Bewerber vergeben, der den niedrigsten Subventionsbedarf anbietet. In Deutschland werden die sogenannten F- und A-Modelle angewendet. F-Modelle sind nach dem Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz für Brücken, Tunnel und Gebirgspässe möglich, bleiben aber auf wenige Anwendungen (Warnow-Tunnel in Rostock 2003, Herrentunnel in Lübeck, 2005) beschränkt. Weitere Planungen, zum Beispiel der Hochmoselübergang, wurden gestoppt und durch konventionelle staatliche Finanzierung ersetzt. Die Festlegung der Benutzergebühren ist Gegenstand des Konzessionsvertrages, wobei in der Regel eine langfristige Deckung der gesamten Kosten beabsichtigt ist. Im Ausland gibt das Öresund-Projekt zwischen Dänemark und Schweden ein prominentes Beispiel.

In Deutschland werden die A-Modelle auf Projekte der Erneuerung und Erweiterung von Bundesautobahnabschnitten angewendet. Bei den ersten Projekten erhielt der Betreiber die für die Vertragsstrecke eingenommene Maut, wobei Gewinn oder Verlust von der Verkehrsmenge abhing. Er trug damit die Risiken aus Verkehrsmengen und Lkw-Kategorien. Stieg zum Beispiel der Anteil von Lkw mit niedrigen Abgasemissionen, so verringerten sich die Einnahmen. Zur Ausschaltung des Kategorienrisikos wurde das A-Modell in einer zweiten Phase zum Einheitsmodell erweitert. Dabei wurden die Mautsätze je Lkw-Kilometer zu einem Einheits-Mautsatz normiert. In einer dritten Phase folgte das Verfügbarkeitsmodell, bei dem auch das Mengenrisiko ausgeklammert wurde und dem Betreiber noch die Risiken aus der Kostenkalkulation, Baudurchführung und Finanzierung verbleiben. Bei allen A- und Folgemodellen sind die Lkw-Gebühren aus der Mauttabelle für die privaten Betreiber bindend, das heißt die Betreiber haben keine Möglichkeit, die Preise selbst zu gestalten.

Beim Flughafen-Bau sind ÖPP-Finanzierungen mit flexiblen Preislösungen international weit verbreitet. Ein Beispiel ist der Flughafen Budapest, der im Jahr 2007 von einem privaten Konsortium mit deutscher Beteiligung übernommen wurde. Der Flughafen wurde 2024 wieder verstaatlicht. Auch für den Flughafen Berlin-Brandenburg war ein ÖPP-Modell in der Vorbereitungsphase 2006 geplant, wurde aber in der Folge durch eine öffentliche Planung und Finanzierung ersetzt.

Während ÖPP-Modelle in den vergangenen Jahrzehnten prominente Fürsprecher hatten und auch von der Europäischen Kommission zur Ergänzung der öffentlichen Finanzierung empfohlen wurden [ChBoSe15], haben die skeptischen Stimmen in den letzten Jahren dagegen an Gewicht gewonnen. Der Bundesrechnungshof kritisierte mehrfach die höheren Kosten gegenüber der öffentlichen Finanzierung [BRH09], was in der Folge gegenläufige Stellungnahmen auslöste, die auf die höhere Zeit- und Kostendisziplin bei ÖPP-finanzierten Projekte hinwiesen. Im parlamentarischen Bereich werden vor allem öffentlicher Kontrollverlust und monopolistische Ausbeutung der Nutzer oder der Steuerzahler befürchtet, obwohl bei A-Modellen und ihren Folgemodellen die Hoheit der Preisfestlegung beim Staat liegt.

Im Bereich des öffentlichen Verkehrs finden sich im Ausland einige Möglichkeiten der Kofinanzierung aus dem privaten Bereich, um die Preise für die Nutzer niedrig zu halten.
  • Die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr beeinflusst vor allem in städtischen Verdichtungsräumen den Wert von Grundstücken und Immobilien. Diese kann die teilweise Hinzuziehung ihrer Eigentümer zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur rechtfertigen. Eine Wertzuwachssteuerfinanzierung kann durch teilweise Abschöpfung des gestiegenen Grundstückswertes erfolgen. Beispiele hierfür finden sich beim Neubau von Straßenbahnstrecken in Seattle und Portland [Miet10].
  • In Frankreich gibt es eine Lohnsummenbesteuerung von Unternehmen (versement mobilité), die Kommunen und ihre Verbände zweckgebunden zur Finanzierung des öffentlichen Verkehrs verwenden können. In Paris liegt dieser Steuersatz zum Beispiel bei 2,95 Prozent im Stadtbereich und bei 1,4 Prozent in äußeren Departements. In anderen Regionen liegen diese Steuern in Größenordnungen zwischen 0,55 und 1,75 Prozent.
  • In Japan ist den Eisenbahngesellschaften das Eigentum an Flächen in der Umgebung von Bahnhöfen und deren Vermarktung erlaubt. Daher sind viele Bahnhöfe zu Einkaufsparadiesen entwickelt worden (Ekinaka train shopping centers), wobei die Einnahmen aus der Verpachtung den Bahngesellschaften zufallen [Tera2001]. So erzielten die privaten Bahn-Personenverkehrsgesellschaften Japan East 16 Prozent [JRea24], Japan West 12 Prozent [JRWe24], und Japan Central 3 Prozent [JRce24] ihrer Umsätze aus dem non-rail business im Jahr 2023 und konnten so die Preise für die Eisenbahnnutzung ko-finanzieren. Dies zeigt, dass eine Finanzierung der privaten Eisenbahngesellschaften in Japan (seit 1987) aus Verkehrseinnahmen allein trotz hoher Auslastung der Züge kaum möglich gewesen wäre.
Ansprechperson
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Formen der Bepreisung zur Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur (Stand des Wissens: 12.03.2025)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?335946
Literatur
[BRH09] Bundesrechnungshof, Bundesrechnungshof (Hrsg.) Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zu Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) im Bundesfernstraßenbau, 2009/01/05
[ChBoSe15] H. Christophersen, K. Bodewig, C. Secchi Action Plan - Making the best use of new financial scheme for European transport infrastructure projects, 2015
[JRce24] Deloitte (Hrsg.) Central Japan Railway Company - Independent Autitors Report, 2024/07/22
[JRea24] East Japan Railway Company (Hrsg.) JR East Integrated Report 2023, 2024
[JRWe24] West Japan Railway Group (Hrsg.) JR West Fact Sheets 2023, 2024
[Miet10] Mietzsch, Oliver Nicht-fiskalische ÖPNV-Infrastrukturfinanzierung, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage 10, DVV Media Group | Eurailpress/ Hamburg, 2010
[Pola06] Klemens Polatschek Trassen unter dem Hammer, veröffentlicht in Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Ausgabe/Auflage Nr. 4, 2006/01/29
[Tera2001] Kazushige Terada Railway Operators in Japan 1, 2001/6/27
Glossar
Eisenbahninfrastrukturunternehmen Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) ist ein Rechtsbegriff des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG). Gemäß § 2 Abs. 1 AEG sind Eisenbahninfrastrukturunternehmen öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen die eine Eisenbahninfrastruktur betreiben.
Erneuerung Im Kontext der Straßenerhaltung bezeichnet der Begriff "Erneuerung" die vollständige Wiederherstellung einer Verkehrsflächenbefestigung oder von Teilen davon, sofern mehr als die Deckschicht betroffen ist. Bei der Bauwerkserhaltung beschreibt der Begriff den Ersatz von Bauteilen oder Bauteilgruppen.
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Eisenbahninfrastrukturunternehmen
Zur Erhaltung des Schienennetzes zählen Maßnahmen zur Instandhaltung und für die Durchführung von Ersatzinvestitionen. Grundsätzlich tragen die Eisenbahninfrastrukturunternehmen die dabei anfallenden Kosten, werden aber nach der LuFV vom Bund mit einem bestimmten Betrag jährlich unterstützt.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?335320

Gedruckt am Sonntag, 16. März 2025 20:50:09