Entwicklung der Binnenschifffahrt in Deutschland
Erstellt am: 13.03.2010 | Stand des Wissens: 10.02.2025
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Das Güterverkehrsaufkommen der Binnenschifffahrt in Deutschland hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten kaum verändert (vergleiche Abbildung 1). Im Jahr 1992 wurden insgesamt rund 230 Millionen Tonnen Güter mit Binnenschiffen transportiert, im Jahr 2008 lag das Verkehrsaufkommen der Binnenschifffahrt bei circa 245 Millionen Tonnen. Bedingt durch die Wirtschaftskrise sank das Aufkommen im Jahr 2009 auf etwa 200 Millionen Tonnen, stabilisierte sich anschließend jedoch wieder und stagnierte seit 2015 bei ungefähr 222 Millionen Tonnen. Gleiches gilt für die Verkehrsleistung, die konstant bei ungefähr 55 Milliarden Tonnenkilometern lag. Einen Tiefpunkt verzeichnete die Binnenschifffahrt im Jahr 2018, in dem die Verkehrsleistung auf etwa 47 Milliarden Tonnenkilometer und das Verkehrsaufkommen auf knapp 198 Millionen Tonnen sank. Eine Ursache für diesen Tiefpunkt war die außergewöhnlich langanhaltende Niedrigwasserphase auf deutschen Flüssen in Folge von Dürren, von der sich die Binnenschifffahrt auch im Folgejahr noch nicht vollständig erholte [BMVI19ah; BAG20; Dest23f].
Nach einer kurzen Erholungsphase sanken das Güterverkehrsaufkommen und die -leistung der Binnenschifffahrt im Jahr 2020 aufgrund der Corona-Pandemie erneut, erholte sich davon allerdings im Folgejahr wieder. Dennoch sank 2022 sowohl die Verkehrsleistung als auch das Verkehrsaufkommen auf 44 Milliarden Tonnenkilometer beziehungsweise 188 Millionen Tonnen. Im Folgejahr setzte sich dieser Trend weiter fort und sowohl die Beförderungsmenge als auch die Beförderungsleistung fielen um jeweils 7 Prozent. Dieser Rückgang ist zum Teil auf die verringerte Herstellung von wichtigen Transportprodukten und den gesunkenen Wasserstand im August 2022 zurückzuführen [Dest22e; Dest23e].
Aus Abbildung 1 wird ersichtlich, dass das konstante Güterverkehrsaufkommen lange Zeit insbesondere eine Folge steigender Gütertransporte ausländischer Binnenschiffe (55 Prozent im Jahr 1992, 70 Prozent im Jahr 2020) auf deutschen Binnenwasserstraßen war. Das transportierte Güteraufkommen von Schiffen mit deutscher Beflaggung war seit der Wiedervereinigung rückläufig. Im Jahr 2018 konnten Binnenschiffe unter deutscher Flagge ihren Marktanteil erstmals wieder leicht ausbauen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Einsatzmöglichkeiten vieler großer Schiffe der niederländischen Flotte, die einen großen Anteil der ausländischen Binnenschiffe ausmachen, während der Niedrigwasserphase aufgrund ihres Tiefgangs stark eingeschränkt waren [BAG20]. Der Anteil der unter deutscher Flagge fahrenden Schiffe ist im Zeitraum von 2004 bis 2022 kontinuierlich gesunken [BDB23a].

Bei der Betrachtung des Güterumschlags in deutschen Binnenhäfen hebt sich Duisburg als größter deutscher Binnenhafen deutlich von den anderen Häfen ab. Abgesehen von dem Duisburger Hafen zeigt der Markt für Binnenhäfen eine atomisierte Struktur mit einer Vielzahl von kleinen Akteuren [BAG20]. Dieser verzeichnete im Jahr 2023 einen Güterumschlag von rund 41,5 Millionen Tonnen, was einem Rückgang von 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Hiermit setzt sich der seit dem Jahr 2016 vorherrschende Abwärtstrend weiter fort [STATISTA24g]. Im Jahr 2020 haben nur zwei Häfen mehr Güter im Vergleich zum Vorjahr umgeschlagen. Das einzige Wachstum verzeichneten dabei die Häfen Ludwigshafen und Frankfurt am Main mit 2,5 beziehungsweise 5,4 Prozent. In den beiden größten Binnenhäfen Duisburg und Hamburg ist wiederum ein Rückgang des Güterumschlags im Vergleich zum Vorjahr zu beobachten. Während der Umschlag in Duisburg um 11,3 Prozent auf 42,4 Millionen Tonnen sank, verringerte sich der Umschlag in Hamburg um 9,2 Prozent auf 7,9 Millionen Tonnen [Dest22e]. Auch in den Folgejahren ist der allgemeine Trend der Binnenschifffahrt rückläufig. So betrug der Güterumschlag der deutschen Binnenschifffahrt im Jahr 2023 knapp 204 Millionen Tonnen, was einem Rückgang von 6,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Als Ursache für diese Entwicklung sind unter anderem Niedrigwasser sowie der Rückgang von Seehafenhinterland- und Kohletransporten zu identifizieren [STATISTA24h].
![Abb. 2: Güterumschlag der größten deutschen Binnenhäfen in den Jahren 2019 und 2020, eigene Darstellung nach [Eintrag-Id:549724] Gueterumschlag deutsche Binnenhaefen.jpg](/servlet/is/292063/Gueterumschlag%20deutsche%20Binnenhaefen.jpg)
Fahrzeugbestand und Ausflaggung
Das sinkende Güterverkehrsaufkommen von Binnenschiffen unter deutscher Flagge macht sich auch im Fahrzeugbestand beziehungsweise der Binnenflotte der Bundesrepublik bemerkbar [BMVI19ah]. Die Anzahl der Motorschiffe hat sich von 1.297 im Jahr 2001 auf 1.171 Schiffe im Jahr 2020 reduziert, dabei gab es einen kleinen Anstieg im Jahr 2018 [WSV24a]. Im Jahr 2022 wurden in der deutschen Binnenflotte noch 710 Gütermotorschiffe und 407 Tankmotorschiffe verzeichnet. Dies entspricht einem Rückgang von fast 25 Prozent gegenüber dem Höchststand im Jahr 2005 [STATISTA25]. Die Ausflaggung von Binnenschiffen im europäischen Raum ist dabei ein entscheidender Faktor. Schiffe werden in das Schiffsregister anderer Länder eingetragen, in denen die gesetzlichen Rahmenbedingungen günstiger sind als in Deutschland (zum Beispiel geringere Besatzungszahl, niedrigere Löhne und Registrierkosten, geringere Sicherheitsstandards) [BMVI19ah]. Abbildung 3 zeigt die Entwicklung des Fahrzeugbestandes der Binnenschifffahrtsflotte in Deutschland von den Jahren 2001 bis 2020.
![Abb. 3: Entwicklung des Fahrzeugbestandes der Binnenflotte in Deutschland, eigene Darstellung nach [Eintrag-Id:549729] Binnenflotte.jpg](/servlet/is/292063/Binnenflotte.jpg)
Hauptkonkurrenten bei der Registrierung von Binnenschiffen sind andere EU-Staaten. Eine Vielzahl der Binnenschiffe in Europa ist in den Niederlanden registriert, um einen Kostenvorteil unter anderem durch einen niedrigen Versicherungssteuersatz zu erlangen [PLANCO03a]. Eine weitere Ausflaggung (wie seit den 1980er Jahren auch in der Seeschifffahrt zu beobachten) könnte zum Beispiel durch eine entsprechende Anpassung des Versicherungssteuersatzes in Deutschland verhindert werden [Bell2007; PLANCO03a].