Umwelt- und Klimaschutz in der Seeschifffahrt
Erstellt am: 14.01.2003 | Stand des Wissens: 12.06.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Umwelt- und Klimaschutz in der Seeschifffahrt spielen eine bedeutende Rolle, da den wachsenden Schiffsverkehr steigende Klima- und Umweltverschmutzungen begleiten [vgl. ICCT07, S7f.].
Luftverschmutzungen durch Abgase aus den Maschinenanlagen von Schiffen stehen speziell im Fokus. Auf die Schifffahrt entfallen 15 Prozent aller globalen anthropogenen NOx-Emissionen und etwa 13 Prozent der SO2-Emissionen [IPCC15] besonders aufgrund des überwiegend als Treibstoff eingesetzten schweren Heizöls. Dieser Rückstand aus der Erdölraffination hat in der Regel einen hohen Schwefelgehalt, der zu einem hohen SO2-Gehalt der Abgase führt. Der Seeverkehr emittiert jährlich rund 858 Millionen Tonnen CO2 [OECD23a] und ist für etwa 3 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich [EUGHG22]. In der überarbeiteten Strategie für 2023 wird das Ziel von Netto-Null-Emissionen aus Schiffen "bis zum Jahr 2050 oder bis kurz davor" festgelegt. Weitere Umweltprobleme der Seeschifffahrt sind unter anderem:
Die Aufnahme von Ballastwasser ist meist mit der Aufnahme von in dem jeweiligen Seegebiet lebenden Meeresorganismen verbunden, die im nächsten Ladehafen unter Umständen günstige Lebensbedingungen vorfinden und dort lebenden Gesellschaften von Meeresorganismen schädigen. Im Februar 2004 verabschiedete die International Maritime Organisation (IMO) ein Ballastwasser-Übereinkommen (International Convention for the Control and Management of Ships' Ballast Water and Sediments [the Ballast Water Management Convention]) zur Kontrolle der Aufnahme und des Ablassens von Ballastwasser. Demnach soll das Ballastwasser mit entsprechenden Behandlungssystemen vor Abgabe in das Meer aufbereitet werden, sodass es einem vorgeschriebenen Standard genügt [BSH12c].
Beim Abwracken von Schiffen bestehen erhebliche Umwelt- und Gesundheitsrisiken. Lärmemissionen schädigen im Seeverkehr Beschäftigte, Anwohner von Häfen und Meeressäuger. Das (teils illegale) Ablassen von Ölrückständen oder anderen gefährlichen flüssigen Stoffen, die Entsorgung von Müll auf See sowie unkontrollierte Verschmutzungen durch Schiffsunfälle können ebenfalls Ursachen für die Belastung der Umwelt darstellen.
Die Vermeidung von maritimen Umweltschäden erfordert ein international koordiniertes Handeln. Die führende Rolle bei der Regelung des maritimen Umweltschutzes hat die IMO. Ihr Ausschuss für den Schutz der Meeresumwelt (Marine Environment Protection Committee, MEPC) wurde 1973 ins Leben gerufen. Er prüft alle Angelegenheiten, die in den Zuständigkeitsbereich der Organisation fallen und die sich auf die Verhütung und Bekämpfung der Meeresverschmutzung durch Schiffe beziehen.
Das wichtigste internationale Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe aus Unfällen und Schiffsbetrieb ist die "International Convention for the Prevention of Pollution from Ships" von 1973/78 (MARPOL 73/78), die inzwischen mehrfach ergänzt und modifiziert wurde [BSH12].
Die Anhänge der Konvention regeln die wesentlichen Emissionsprobleme:
Die Anhänge der Konvention regeln die wesentlichen Emissionsprobleme:
- Annex I regelt die Abgabe von ölverschmutztem Wasser ins Meer, die Einführung von separaten Ballasttanks und Doppelhüllenbauweise bei Tankern
- Annex II dekretiert den Transport gefährlicher flüssiger Substanzen in Tankern.
- Annex III legt die Verhütung der Verschmutzung durch verpackt beförderte Schadstoffe fest.
- Annex IV regelt die Abwasserbehandlung. Es ist verboten, Schiffsabwasser in das Meer einzuleiten. Ausnahmeregelungen bestehen für behandeltes oder aufbereitetes Abwasser sowie bei einer Einleitung aus einem Abwasser-Sammeltank mindestens 12 Seemeilen entfernt von Land [BSH12].
- Annex V betrifft Müll von Schiffen, einschließlich des vollständigen Verbots der Entsorgung jeglicher Plastikmaterialien in die See. Dazu sind alle Vorgänge in Bezug auf den an Bord anfallenden Müll zu dokumentieren.
- Annex VI enthält Regeln zur Verhütung der Luftverunreinigung durch Seeschiffe. Seit dem 1. Januar 2015 dürfen in Emission Control Areas (beispielsweise Ostsee) nur noch Treibstoffe mit einem Schwefelmassenanteil von 0,1 Prozent verbrannt werden.
International liegt der Grenzwert für den Schwefelanteil bei 3,5 Prozent. Ab 2025 wird dieser von der IMO auf 0,1 Prozent begrenzt [DF25].
Die Wirksamkeit der Konvention wird maßgeblich durch die zu ihrer Durchsetzung getroffenen Maßnahmen bestimmt. Alle Regelungen zur Verringerung schädlicher Umwelteinflüsse erhöhen die Kosten des Seetransports und stoßen somit auf Widerstände von Interessengruppen bzw. ermöglichen bei ihrer Missachtung die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen. Die Durchsetzung internationaler Vorschriften ist gerade für den Umweltschutz oft schwierig und langsam. Das Hauptinstrument ist die, zunächst auf Schiffsicherheit fokussierte, international vereinbarte Hafenstaatkontrolle in den Anlaufhäfen.
Anstrengungen zur Emissionsminderung im Seeverkehr richten sich des Weiteren auf:
- die Minderung des Verbrauchs an konventionellen Treibstoffen durch Optimierungen im Schiff- und Motorenbau,
- den Einsatz alternativer Treibstoffe (Flüssigerdgas) und Zusatzantriebe (beispielsweise Segel),
- die Optimierung des Schiffseinsatzes zur Minderung der spezifischen Emissionen je Einheit Transportleistung [IMO09, S. 4f.].
Erfüllt ein Seeschiff bestimmte Umweltschutzmaßnahmen an Bord, so kann für das Schiff das Umweltzeichen Blauer Engel beantragt werden. Dieser kennzeichnet, dass am Schiff hohe Ansprüche an die Umwelt garantiert sind. Der Blaue Engel orientiert sich an Reedereien oder Schiffsbetreiber, welche einen Schiffsneubau planen. Diese sollen schon beim Bau des Schiffes die Potenziale zum Schutz der Umwelt umsetzen [UBA21b].