Berücksichtigung der Mobilitätsbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in Richtlinien und Regelwerken
Erstellt am: 19.06.2006 | Stand des Wissens: 19.01.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Generell werden die Eigenschaften und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in den aktuellen Regelwerken nur sehr eingeschränkt beachtet [BAST05a, S. 121]. Wenn nähere Betrachtungen getätigt wurden, dann meist im Zusammenhäng mit Schulwegen. Daher wurden die Richtlinien und Regelwerke der Stadt- und Verkehrsplanung im Rahmen des Forschungsprojektes "Mobilitätsbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen im Straßenverkehrs- und Baurecht" [Krau05b] daraufhin untersucht, inwieweit die Belange von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt werden beziehungsweise welcher Änderungsbedarf besteht. Die Untersuchungsgegenstände waren 41 Schriften der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), deren Inhalte die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren. Weiterhin wurden jeweils eine Empfehlung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und eine des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zum Thema Schulwegsicherung in die Synopse einbezogen.
Im Rahmen des Projektes wurde eine Übersicht erarbeitet, die den Grad der Berücksichtigung der Belange von Kindern und Jugendlichen in den einzelnen Richtlinien und Regelwerken abbildet. Etwa jeweils ein Drittel der analysierten Schriften berücksichtigt die Belange ausführlich, in Ansätzen beziehungsweise gar nicht. Daraus ist kein Änderungsbedarf abzuleiten, da beispielsweise eine in Ansätzen vorhandene Berücksichtigung je nach Geltungsbereich der Richtlinie durchaus ausreichend sein kann. Eine weitere Darstellung schlüsselt auf, welcher Art die berücksichtigten Belange sind. Darauf aufbauend wurden Änderungshinweise zu den Richtlinien und Regelwerken gegeben.
Als Fazit der Analysen ist festzuhalten: "Im Allgemeinen sind die Richtlinien aus der Erwachsenenperspektive geschrieben, häufig finden die Belange von Kindern und Jugendlichen implizit als Belange von Fußgängern und Radfahrern Berücksichtigung. Werden die Belange von Kindern explizit angesprochen, findet keine Differenzierung nach Alter statt. Betrachtungen nach Altersgruppen liegen nur dann vor, wenn Institutionen wie Schulen oder Kindertagesstätten betroffen sind. Die spezifischen Belange von Jugendlichen werden fast nie berücksichtigt. Der Bereich des öffentlichen Verkehrs bildet dabei eine Ausnahme. Hier werden Jugendliche als Nutzergruppe mit besonderen Bedürfnissen anerkannt, und es gibt sogar ein spezielles Handbuch für die Belange der 10- bis 18-Jährigen: Öffentlicher Personen-Nahverkehr. Anforderungen jüngerer Menschen an öffentliche Verkehrssysteme [FGSV98e]. Ein Großteil der Richtlinien weist bei der Berücksichtigung von Belangen, die über die Verkehrssicherheit hinausgehen, noch starke Defizite auf" [Krau05b, S. 131 f.].
Vom FGSV-Arbeitskreis 1.1.1 "Gender und Mobilität" wurde darüber hinaus ein Arbeitspapier mit dem Titel "Hinweise zur Integration der Belange von Kindern und Jugendlichen in die Verkehrsplanung" erarbeitet, das sich speziell den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen widmet. Es wurde im Jahr 2010 veröffentlicht [FGSV10a]. Das Hinweisblatt versteht sich als Beitrag zur besseren Berücksichtigung der Ansprüche von Kindern und Jugendlichen an die Planung.
Betreffend der Berücksichtigung von Kindern und Jugendlichen gibt es ein Umsetzungsdefizit in den Richtlinien und Regelwerken, sowie in der Straßenverkehrsordnung. Die nötigen Grundlagen und Kompetenzen der Behörden sind durchaus vorhanden, werden jedoch vor allem dazu genutzt, einen stabilen Verkehrsfluss, speziell für den motorisierten Individualverkehr, zu gewährleisten, anstatt verstärkt auf Sicherheitsdefizite zu achten. [BAST05a, S. 130 f.]. Diesen Missstand gilt es zu korrigieren. Städte wie beispielsweise Berlin handeln mittlerweile eigeninitiativ, um diesen Missstand auszugleichen [SvSJS99], was die Dringlichkeit des Handelns unterstreicht.