Das Begriffsfeld Mobilität
Erstellt am: 14.10.2004 | Stand des Wissens: 15.12.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
TU Dresden, Professur für Kommunikationswirtschaft
Der Begriff "Mobilität", wie er heute im allgemeinen Sprachgebrauch Verwendung findet, weckt überwiegend positive Assoziationen, da das sich dahinter verbergende Verständnis der Beweglichkeit von Menschen und Dingen oder zumindest das damit verbundene Potenzial beweglich sein zu können, in der Gesellschaft eine hohe Wertschätzung besitzt [Erl03; Mehl01a, S. 87]. In den einzelnen Wissenschaftsbereichen wird der Begriff Mobilität allerdings sehr unterschiedlich verwendet. Durch das Hinzufügen eines Attributes zum Begriff Mobilität wird dieser näher definiert (siehe Abbildung 1).
Die "Faktormobilität", ein Begriff der Wirtschaftswissenschaften, beschreibt beispielsweise die räumliche und sektorale Beweglichkeit von Produktionsfaktoren (Kapital, Arbeit, technisches Wissen) [Mehl01a, S. 88].

Die "Faktormobilität", ein Begriff der Wirtschaftswissenschaften, beschreibt beispielsweise die räumliche und sektorale Beweglichkeit von Produktionsfaktoren (Kapital, Arbeit, technisches Wissen) [Mehl01a, S. 88].
Die "Standortmobilität" beschreibt die Beweglichkeit von Unternehmen und Einrichtungen.
Die "Bevölkerungsmobilität" umfasst nach [RoHo86] folgende Unterkategorien:
- "Soziale Mobilität" beschreibt den Wechsel von sozialen Rollen, Positionen beziehungsweise des sozialen Status [Mehl01a, S. 86]
- "Räumliche (Bevölkerungs-) Mobilität" beinhaltet alle physischen Bewegungsvorgänge zwischen menschlichen Aktivitätenstandorten, zum Beispiel Wohnortwechsel oder Arbeitsortwechsel [ARL05, S. 655].
- "Pendelmobilität" bezeichnet Ortsveränderungen, die sich periodisch wiederholen [ARL05, S. 655].
Der Begriff Mobilität kam zunächst in der Soziologie zur Anwendung, "wo zwischen 'vertikaler' und 'horizontaler Mobilität' unterschieden wird" [DIVU09, S. 18]. Dabei bezeichnet die vertikale Mobilität den sozialen "Auf- bzw. Abstieg zwischen verschiedenen Gesellschaftsschichten" [BASt96a, S. 13], die horizontale Mobilität dagegen "die Bewegung innerhalb einer Gesellschaftsschicht" [DIVU09, S. 18]. Sie wird zusätzlich in "geistige, soziale und räumliche Mobilität unterteilt" [DIVU09, S. 18].
Diese Kategorisierung des Mobilitätsbegriffes übernimmt auch [Cerw99] (siehe Abbildung 2). Soziale Mobilität beschreibt hier ebenfalls die Fähigkeit zum Wechsel des sozialen Status, die "geistige Mobilität" die Fähigkeit des flexiblen Denkens, also die Beweglichkeit des Geistes [DIVU09, S. 18].
Im Kontext der Wohnstandortwahl wird bei [Cerw99] von "Wanderungsmobilität" gesprochen; für den Wechsel des Wohnsitzes wird häufig auch der Begriff "residentielle Mobilität" verwendet [ARL05, S. 655]. Beide Begriffe stellen eine der beiden Sonderformen der räumlichen Mobilität dar. Die zweite Komponente der räumlichen Mobilität beschreibt die regelmäßige Ortsveränderung einer Person mit Rückkehr zum Ausgangspunkt, das heißt der Weg beginnt und endet in der Regel am Wohnungsstandort. Dies wird als "Verkehrsmobilität" [Cerw99; ARL05], "zirkuläre Mobilität" [ARL05] oder "Alltagsmobilität" [ARL05; NoKu18] bezeichnet.
Die Alltagsmobilität ist zentraler Gegenstand der Stadt- und Verkehrsforschung, jedoch ist selbst auf dieser Betrachtungsebene in der Literatur bisher keine einheitliche Definition des Begriffes "Mobilität" zu finden.
![Abb. 2: Schema zur Kategorisierung des Mobilitätsbegriffes [vgl. Eintrag-Id:341022, S.35] Schema zur Kategorisierung des Mobilitätsbegriffes](/servlet/is/114261/114261_Abb2_Schema_zur_Kategorisierung_des_Mobilitaetsbegriffes.jpg)
Abb. 2: Schema zur Kategorisierung des Mobilitätsbegriffes [vgl. Cerw99, S.35] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
[Holz10a] unterscheidet die Alltagsmobilität in "potentielle" und "realisierte" Mobilität. Die potentielle Mobilität beschreibt die Möglichkeit einer Person zur Ortsveränderung, die realisierte Mobilität dagegen die tatsächliche Ausführung der Bewegung.
Die einzelnen beschriebenen Mobilitätsformen stehen in engen Wechselwirkungen, "haben zum Teil Voraussetzungs- und Folgebeziehungen" [Mehl01a, S. 88]. Beispielsweise kann ein Umzug, auch als "Wohnsitzmobilität" [SRL89], zu einer Abnahme der Pendlermobilität führen - beispielsweise hinsichtlich Häufigkeit, Entfernung oder Verkehrsmittelwahl für zurückgelegte Wege [Mehl01a, S. 88].
In der Verkehrsplanung und -politik wird die Förderung bzw. Aufrechterhaltung der Mobilität als wesentliches Ziel angesehen. Eine Einschränkung der Mobilität als Handlungsansatz ist nicht Gegenstand von Planung und Politik. Fälschlicherweise wird Mobilität oft mit Kfz-Verkehr assoziiert und Einschränkungen des Kfz-Verkehrs als Einschränkung der Mobilität verstanden [Holz10a].