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Mobilität in der Alltags- und Erlebnisfreizeit

Erstellt am: 08.09.2004
Autoren:   Mensch-Verkehr-Umwelt, Institut für Angewandte Psychologie
Lehnig, Ulf
Fastenmeier, Wolfgang
Gstalter, Herbert
Erscheinungsjahr / -datum:   2004
Verlag / Ort:   Asanger Verlag http://www.asanger.de
Zitiert als:   [FaGL04]
Art der Veröffentlichung:   Monographie
Sprache:   deutsch
ISBN oder ISSN:   3-89334-422-5
Sonstige Informationen:   Das Buch stellt Erkenntnisse zu Erscheinungsformen, motivationalen Ursachen und Beeinflussungsmöglichkeiten der Freizeitmobilität dar, die im Projekt ALERT der Projektfamilie "Freizeitverkehr" gewonnen wurden.

Im Mittelpunkt stehen empirische Erhebungen (Haushaltsbefragungen, Wegetagebücher, Befragung am Cospudender See und Tiefeninterviews).
Review
Erstellt am: 20.05.2005 | Stand des Wissens: 05.07.2016

Ansprechperson:
Ziel / Zweck
  • Untersuchung der Begriffsverständnisse von Freizeit
  • Versuche der Erklärung für Freizeitmobilitätsverhalten
  • Beeinflussungsmöglichkeiten von Freizeitmobilität


Methodik und Durchführung
  • Literaturauswertung
  • Modellentwicklung
  • Fallstudie
  • Befragung
  • Theoretisch-konzeptionelle Arbeit
Schwerpunkte der Arbeit waren:

  • repräsentative Haushaltsbefragung,
  • regionale Haushaltsbefragung um die beiden Demonstratoren,
  • regional begrenzte Tiefeninterviews und
  • Zielort- und Besucherbefragungen.
Die Demonstratoren waren:
  • Naherholungsgebiet Cospudener See südlich der Stadt Leipzig und
  • Landesgartenschau Ostfildern 2002 in Baden-Württemberg.


Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Freizeit wird in neueren Studien nicht mehr negativ als "Restgröße" definiert, sondern strärker positv gefasst. Ein wichtiges Beispiel ist die detailliertere Erfassung von Freizeitaktivitäten in der Erhebung "Mobilität in Deutschland" 2002. Fastenmeier et al. haben u. a. untersucht, welche Aktivitäten von allen Befragten klar der Freizeit zugeordnet werden. Hieraus lassen sich vier Klassen von Freizeitaktivitäten bilden:

  1. "Bewegung und Natur" (Ausflüge, Spazierengehen)
  2. "Kontemplation und Medienkonsum" (lesen, Radio/Musik hören, fernsehen, ausruhen)
  3. "Kontaktmobilität, Feiern und Soziales" (ins Cafe, Restaurant, Thater, Kino, zu Freunden, Freunde einladen, spielen)
  4. "Sport und Fitness" (sich fit halten, Sportarten betreiben) [S. 22].

Bei dieser Zuordnung lassen sich v. a. alterspezifische Unterschiede erkennen; Geschlecht, Bildungsniveau und Lebensstile hingegen beeinflussen die Antworten kaum. Bei der Ausübung bestimmter Aktivitäten ist ebenfalls das Alter die zentrale Einflussgröße [S. 24, S. 49].

Fastenmeier et al. haben festgestellt, dass Wegeketten bei Freizeitaktivitäten - entgegen bisherigen Auffassungen - seltener auftreten als bei Wegen mit beruflicher oder privater Verpflichtung: Bei 72 % der Touren wird "exklusiv für Freizeitaktivitäten das Haus oder die Wohnung verlassen" [S. 53].

Für die Untersuchung von Motiven für Freizeitaktivitäten halten Fastenmeier et al. das Zürcher Modell der sozialen Motivation von Bischof (1985) für besonders geeignet. Sie unterscheiden dabei die vier folgenden Kernmotive ("Motivbündel"):
  • soziales Motiv (Kontaktbedürfnis mit bestimmten Personen, Sicherheit, Geborgenheit),
  • Erregung (Abwechslung, Bewegung, Unterwegssein, Neugierde),
  • Autonomie (Identität, Unabhängigkeit) und
  • Wunsch nach Natur (kognitiv-ästehtische Motive, räumliche Flucht, Erholung, Genuss, Gesundheit) [S. 91].
Am Wochenende dominieren dabei "Erregung" (41 %) und "Wunsch nach Natur" (32 %); in der Woche dagegen "Soziale Motive" (45 %) gefolgt von der "Erregung" (42 %) [S. 100].

Bei der Aufteilung auf drei Grundmotive konnten Fastenmeier et al. eine klare Dominanz des Motivs "hin zu einem Zielort" bei 69 % der Aktivitäten am Wochenende nachweisen, gefolgt von "gern unterwegs sein" (25 %). Das oftmals zitierte "Fluchtmotiv" ("von zu Hause weg") wurde in 280 Tiefeninterviews nur in 6 % der Fälle als zentrales Grundmotiv genannt.

Entscheidungsebenen

Zentrale Bedeutung der Entscheidung haben Ort und Zeitpunkte: Hierüber wird bewusst entschieden. Die Route und die Verkehrsmittel werden "automatisch gewählt". Dies erklärt sich v. a. daher, dass - auch bei spontanen Entscheidungen - bekannte Aktivitätsmuster umgesetzt werden. Aufschlussreich ist, dass bei kulturellen Aktivitäten der ÖV und bei Badeausflügen das Rad besonders ernsthaft in Erwägung gezogen werden [S. 105 f.].

Verkehrsmitteln werden verschiedene Freizeiteignungen zugesprochen: Besonders mit dem Flugzeug, dem Schiff und dem Rad werden Freizeitbezüge assoziert. Den geringsten Freizeitbezug weist der ÖPNV auf. Das Auto wird als "Allroundverkehrsmittel" angesehen.

Beeinflussungsmöglichkeiten

Fastenmeier et al. weisen darauf hin, dass es besonders schwierig ist, eingeübte Routinen der Routen- und Verkehrsmittelwahl im Freizeitverkehr zu verändern. Daher weisen sie auf die Erfordernis hin, bei Routinebrüchen von Menschen (Arbeitsplatzwechsel, Führerscheinerwerb, Umzug) gezielte Anreize für ein umweltfreundliches Verhalten zu setzen. Ebenso sehen sie eine große Notwendigkeit darin, bei der Eröffnung von neuen Freizeitanlagen die öffentlichen Verkehrsanlagen ebenfalls fertiggestellt zu haben.


Einordnung in die Forschung / Relevanz für die Politikberatung
Das Forschungswissen zu Freizeitmobilität hat sich in den letzten Jahren stark verbessert. Die Forscher plädieren daher dafür, zukünftig den Schwerpunkt auf die anwendungsorientierte Erprobung von angemessenen Maßnahmen zur Beeinflussung des Freizeitverkehrs zu setzen und wissenschaftlich zu begleiten.

Zitiert in Synthesebericht

Ansprechperson
Mensch-Verkehr-Umwelt, Institut für Angewandte Psychologie
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?105318

Gedruckt am Samstag, 15. März 2025 18:31:33